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Unternehmen

Das nächste Unicorn?

Angriff auf Amazon & Alibaba: Daniel Gradenegger, Initiator von Annanow, und sein Team haben etwas Grosses vor.
Bild: annanow.com

Mehr Start-up geht nicht. In den Büros von Annanow flirrt die Luft. Meetings in Projektteams am Laufband. Dutzende Post-it an den Wänden, Prozessabläufe auf Flipcharts. Kreative Köpfe mit viel Drive. Initiator Daniel Gradenegger will diesmal alles richtig machen. Auch die Sache mit den Investoren. Die Voraussetzungen sind da. Die Strategie von Annanow ist bestechend. Die Chancen stehen gut, dass Annanow das nächste Schweizer Unicorn wird.

Daniel Gradenegger (44) war schon als kleiner Junge fasziniert von den Codes, den Einsen und Nullen. Zuerst Commodore 64, Floppy Disks und dann Amiga. «Ich war von Anfang an verliebt in Computer», sagt Daniel Gradenegger. «Mit 20 hab ich meine erste Game-Bar gegründet, dann eine webbasierte Datingplattform. Alle haben gedacht, ich sei verrückt. Das war bevor es die ganzen Partnerwinner-Plattformen gab. Das ist jetzt 25 Jahre her.» Der Ultra-Early-Adapter war mit seinen Ideen weit voraus. Er sagt selbst: «Ich war bei meinen digitalen Projekten immer vier bis fünf Jahre zu früh.»

Das richtige Timing ist alles

In seinem Business sei es entscheidend, im richtigen Moment mit den richtigen Leuten das Richtige zu tun. Annanow-Initiator Gradenegger: «Nach all diesen Start-ups habe ich verstanden: Egal, was ich mache, egal wie gut das Produkt ist – der Kunde braucht lange, bis er sich entscheidet. Aber wenn er sich dann entschieden hat, will er es sofort.»

All diese Erfahrungen lässt Gradenegger bei Annanow mit einfliessen. Das heisst: Jede Bestellung wird mit Annanow im Schnitt in 32 Minuten ausgeliefert, in den grossen Ballungszentren der Schweiz zumindest. «Maximal geben wir uns eine Stunde. In 98 Prozent der Fälle erreichen wir das Ziel.» Mit wir meint Daniel Gradenegger sein Team, wie etwa seine engsten Mitstreiter: Patrick Keller, CEO, oder Co-Gründer Daniel Stutz und natürlich die weiteren Mitglieder der Geschäftsleitung, Ivan Kovacevic, CTO und Marcus Gahr, CFO.

Es ist ein innovatives und umweltbewusstes Konzept, das auch Investoren überzeugt. Neu mit dabei ist Andreas Buhl, CEO der MSS Holding AG. Er investiert einen einstelligen Millionenbetrag. Und Annanow kann so seine Dienste in der Schweiz, Deutschland und Österreich ausweiten. Die Zahlen sind eindrücklich: Über 5000 Shops sowie rund 100‘000 Taxis und Velokuriere setzen im DACH-Raum bereits auf die Dienstleistungen des Fintech-Startups Annanow. Warum Fintech? Annanow bietet nebst dem Lieferservice auch digitale Versicherungen und Bezahl-Systeme an. Die Kunden? Ein paar Namen: Mediamarkt, Jumbo, Migros, Fleurop, Globus, Manor oder auch Hermés. Wir wollten es noch etwas genauer wissen und haben Daniel Gradenegger zum Gespräch getroffen.

Daniel Gradenegger, erklären Sie uns mal, wie Annanow funktioniert.
Unsere Idee ist einfach, die Technologie dahinter aber eher komplex. Annanow stellt bei jeder Bestellung die geographische Verfügbarkeit von Produkten fest und ermöglicht über die crowd-basierte Lieferkette eine lokale Lieferung. Vor Ort verfügbare Verkehrsteilnehmer, wie Taxis, Velokuriere und Private werden aktiviert.

Also ist das eigentlich ein Liefer-Sharing?
Ja. Dank dem Sharing-Prinzip von Annanow erhalten Gewerbe und Grosshandel gleich lange Spiesse wie Amazon und Alibaba. Damit sichern wir die Zukunft des lokalen Gewerbes und deren Arbeitsplätze.

Ihr betont auch immer wieder die Nachhaltigkeit. Ist das nicht bloss ein Feigenblatt?
Nein, Annanow ist in der realen Welt nachhaltig. Wir erreichen Nachhaltigkeit durch Technologie. Wer Online oder per Telefon bei Qualipet eine Packung Hundefutter bestellt, erhält die Lieferung über eine der 90 Filialen lokal geliefert. In 10 bis 60 Minuten wird das Produkt vom regionalen Taxi, Velokurier oder von Privaten gebracht. Mit dem bisherigen System ging jede Lieferung über das Zentrallager des Händlers an die nächstliegende Poststelle, dann zu einem der drei Schweizer Paketverteilzentren und später zur Poststelle des Lieferorts. Am Folgetag der Bestellung wurde ausgeliefert. Das ist ineffizient, verursacht Leerfahrten, belastet das Schweizer Strassennetz und die Umwelt. Bei kleineren Distanzen kann auch etwa der Student auf dem Weg zur Uni den Blumenstrauss vom Bahnhof zum Unispital gleich mitnehmen und so etwas verdienen.

Wie rekrutiert ihr eure Crowd-Lieferanten?
Wer älter als 18 ist und über eine Arbeitserlaubnis verfügt, kann sich bei Annanow als «Crowd-Kurier» anmelden. So kann jede Privatperson auf dem Arbeitsweg ein Paket ausliefern. Die Zusammenarbeit ist über einen einfachen Arbeitsvertrag geregelt.

Keine Dumpingpreise?
Nein, wir stellen sicher, dass jeder Kurier sozial- und unfallversichert ist. Wir wollen keine Zweiklassengesellschaft in der nur ein Teil der Bevölkerung von einem sozialen Netz aufgefangen wird.

Und wann zahlt ihr die Leute?
Dank unseren Fintech-Lösungen, die auch zu den Dienstleistungen von Annanow gehören, erhält ein Kurier seinen Verdienst sofort.

Wie bei Uber. Und wie kann man liefern?
Es ist alles möglich. Wir können die Lieferung per Velo, Tram, Auto, E-Car sicherstellen – bis zur Drohne. Wir können alles organisieren. Was wir nicht haben, ist ein Unterseeboot... (schmunzelt). Aber nochmals: Wir liefern nicht selber, sondern hängen über unsere Technologie und die Plattformen Partner an, die das können. Wer in Zukunft nicht innerhalb von 60 Minuten liefern kann, verliert.

Wachstum muss finanziert werden.
Wir haben gerade eine Finanzierungsrunde im einstelligen Millionenbereich abgeschlossen. Zudem haben auch fast alle unsere Mitarbeitenden investiert. Nicht, dass wir sie gefragt hätten, sondern weil sie selber finanziell beteiligt sein wollten. Natürlich haben wir auch noch weitere Investoren mit an Bord. Ebenso kommt auch schon einiges aus dem laufenden Business an Umsatz dazu. Was mich besonders freut: Erst kürzlich hat einer der grossen Detaillisten bei uns angeklopft.

Woher die Idee von Annanow?
Ich habe versucht, mit einem Fintech-Startup Versicherungen und Payment-Lösungen zu verkaufen – fast unmöglich. Einen Kunden zu organisieren hat uns rund 100’000 Franken an Vorleistungen gekostet. Natürlich hat ein potenzieller Neukunde nicht gejubelt und gesagt: Super, wir lassen all unsere Payments ab sofort über ein neues Fintech-Startup laufen, bei dem wir nicht wissen, wie sicher es ist und ob es das Startup in drei Monaten noch gibt.

Das sind viele Hürden.
Ja, und sehr verständlich aus Kundensicht. Auch wenn unsere Produkte top sind. Wir mussten also das Problem lösen: Wie verkaufen wir unsere Finanzprodukte – ohne all die Vorleistungen. Die Antwort war: durch Service. Und diesen Service bietet jetzt Annanow mit den Lieferungen im Sharing-Modell und aus der Crowd.

Klassisches Up-Selling ist das jetzt.
Kann man so sehen. Wenn ich jetzt zum Händler gehe und sage: Schau, wir liefern all deine Pakete im Schnitt in 32 Minuten. Dann fragt er mich: Wie viel kostet das? Und ich sage ihm: Gleich viel wie bei der Post. Unsere  Kunden, die ihr Business nun so umgestellt haben, sehen, dass ihre Sofortlieferung in Zusammenarbeit mit uns im ganzen Prozess weniger kostet als mit der Post next-day. Klar, die Margen sind klein, aber auf Konsumentenseite ist man wiederum bereit, für eine Sofort-Lieferung mehr zu zahlen. Am Schluss kann der Händler entscheiden, ob er gratis liefert oder etwas verlangt.

Und Annanow bietet dem Händler dann auch noch das Payment sowie die Versicherung an.
Genau. Die Komplexität einer Sofortlieferung versteht jeder Händler. Die wichtigsten Fragen lauten: Ist die Ware versichert? Und wie kann ich bezahlen? Mit Annanow erhalten unsere Kunden das volle Paket. Und das überzeugt.

Bestechend.
Ja, da sind wir auch ein bisschen stolz drauf, dass wir Versicherungen und Zahlungen digital anbieten können. Und zwar so, dass unsere Kunden auch eine Pre-Payment-Lösungen mit Rewards wählen können. Die Händler zahlen, bevor ein Produkt bestellt wurde. Sie wissen aus der Erfahrung heraus etwa, was sie in den nächsten zwei Wochen für ein Liefer-Volumen erwarten. Zwischen Händler, Kurier und Endkunde haben wir so ein Netz aufgebaut, dass alle auch finanziell verknüpft.

Wie läuft die Lieferung und Meldung technisch ab?
Wenn der Konsument bestellt, dann suchen wir die nächste Filiale aus – wir kennen die Bestände der einzelnen Filialen, denn nur wer seine Bestände kennt, kann auch sofort liefern. Wir übermitteln der entsprechenden Filiale das Signal zum Bereitstellen der Ware. Rund 10 bis 15 Minuten später kommt bereits der Kurier vorbei – und dann geht es schon los. Dadurch sparen wir sehr viele Kilometer. Bei der Post würde das Paket zuerst ins Zentrallager überstellt und irgendwann danach seinen Weg zum Kunden aufnehmen. Der Schwarm macht die Intelligenz aus.

Ihr kennt die Lagerbestände eurer Kunden?
Bei vielen, ja. Das machen wir friendly. Wir müssen den Händlern oftmals ein wenig unter die Arme greifen. Viele haben ihre Lager nicht unter Kontrolle. Wir helfen ihnen, dieses zu identifizieren, damit sie sofort aus der Filiale heraus liefern können, sobald die Ware da ist. Wir haben jetzt auch erste grosse Händler, die bereit sind, uns ihre Lagerdaten zur Verfügung zu stellen.

Eine letzte Frage: the sky is the limit?
Hoffen wir es. Unser Ziel ist es, in 20 Monaten rund 250’000 Lieferungen zu realisieren; Dazu 100’000 Payments und 100’000 Versicherungen. Alles pro Monat. Dort wollen wir hin.