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Digital

«Das Menschliche rückt in den Vordergrund»

Die Pandemie hält unvermindert an. Verteilte Zusammenarbeit bedingt ein neues Mindset – und einige Anpassungen an der Organisation. Cisco zählt zu den Pionieren. Ciscos langjähriger HR-Chef Adrian Brunner über die Herausforderungen für Unternehmen sowie ihre Mitarbeitenden und wie man sie meistert.

Schweizerinnen und Schweizer möchten die freie Wahl ihres Arbeitsortes?
Adrian Brunner: Genau, das zeigt unsere neuste Cisco Studie «Workforce of the future». Ein erfreuliches Ergebnis, denn das eröffnet Unternehmen neue strategische Optionen, etwa bei der Zusammensetzung der Teams oder der Stärkung der Business Resilience.
 
Mentale Gesundheit und Homeoffice: Wie passt das zusammen?
Es ist eine spezielle Situation: Viele Unternehmen und ihre Mitarbeitenden sind ins kalte Wasser geworfen worden. Grundsätzlich sind die Mehrwerte der verteilten Arbeit enorm. So kann jeder seinen Beitrag leisten. Arbeit ist ja in erster Linie kein Ort, sondern eine Tätigkeit. Unternehmen, die Technologie, Prozesse und Kultur in Einklang bringen, profitieren am stärksten von verteilter Arbeit.
 
Wo liegt die mentale Schwierigkeit?
Mitarbeitende müssen viele Prioritäten in Einklang bringen: Gesundheit der Familienangehörigen, Schulung der Kinder, Arbeit. Viele fühlen sich einsam, vermissen den Kontakt zu ihren Kollegen oder befürchten gar, in Vergessenheit zu geraten. Die Zeit muss auch ganz anders eingeteilt werden: Ausserdem ist eine virtuelle Begegnung ein ganz anderes Erlebnis als live am Konferenztisch. Da kann man den Menschen mit einem Blick einschätzen, schnell auf Gesten und Mimik reagieren.
 
Man erlebt seine Kolleginnen und Kollegen von einer ganz anderen Seite?
Ja, das klingt etwas paradox. Man steht sich nicht gegenüber, dafür begegnet man sich im privaten Lebensraum. Wenn plötzlich ein Kind in die Videokonferenz platzt, macht einen das menschlicher als jedes Gespräch im Plauderton über die eigene Familie. Distanz ist eben keine Frage der physischen Entfernung, sondern der Offenheit. Das Menschliche rückt so in den Vordergrund. Noch vor einem Jahr waren klassische Videokonferenzen eher steril. Heute lassen sie Platz für Menschliches und werden daher in der Arbeitswelt auch besser akzeptiert.

Wie lässt sich die mentale Herausforderung meistern?
Durch Offenheit, durch eine vertrauensvolle Atmosphäre. Man muss nachfragen, nicht Sichtbares verbal ausdrücken. Vor allem aber sollte man im Team darüber sprechen, wie und in welcher Kadenz Meetings sinnvoll sind, einen Rahmen setzen, der Mehrwerte für alle bringt. Es braucht neue Rituale, um den sozialen Zusammenhalt auch via Kollaborationsplattformen wie z.B. Cisco Webex zu stärken. Das kann eine gemeinsame Kaffeepause oder ein Gesellschaftsspiel sein. Jedes Team braucht etwas anderes. Grundsätzlich: Es wäre ein Fehler, die gewohnte Sitzungsroutine 1:1 digital weiterzuführen.
 
Wie sieht das aus der Perspektive der Führungskräfte aus?
Schwierig ist, wenn das Management plötzlich nicht mehr weiss, wie es den Mitarbeitenden geht, weil die unmittelbaren Feedbacks fehlen, die man im Büro oft automatisch erhält. So besteht die Gefahr, dass nicht jeder gehört wird. Das kann Folgen haben für die Beziehung im Team und für die Loyalität. In virtuellen Meetings ist man oft versucht, möglichst effizient die aktuelle Agenda durchzugehen.

Das ist grossartig und sehr produktiv; es besteht allerdings das Risiko, dass man dabei wichtige Informationen und Zwischentöne verpasst. Ich habe es mir deshalb zur Aufgabe gemacht, neben der Einplanung einer gewissen Extrazeit für den persönlichen Austausch, auch bewusst auf das Verhalten aller in Meetings zu achten. Fällt mir etwas bei einer Person auf, fasse ich im Anschluss direkt nach. Die Mitarbeitenden sollen spüren, dass sie gesehen werden und man sich um sie kümmert.
 
Was raten Sie Unternehmen?
Eine der wichtigsten Regeln: mehr Feedbacks, mehr Interaktion mit Video und direkt mit jedem einzelnen Mitarbeitenden. Und seien es nur fünf Minuten. Die Interaktionen zwischen Menschen sind entscheidender denn je – entsprechend sollen die Unternehmen diese trotz räumlicher Distanz angenehm, einfach und flexibel ermöglichen. Das Thema Mental Health gehört heute auf die Prioritätenliste des Managements. Interessanterweise erlaubt die Technologie auch eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Thema generell. Es ist leicht, an einem Webinar teilzunehmen oder sich mit einem Experten auszutauschen. Auch Cisco bietet den Mitarbeitenden Hilfestellungen an.
 
Verteilte Arbeit sollte definitiv Teil der Unternehmenskultur werden?
Ja. Wir werden viel mehr hybride Arbeitsumgebungen sehen, mit Räumen zum physischen Austausch für gewisse Projekte und Prozesse. Unternehmen, die ihren Mitarbeitenden die Wahlfreiheit geben, ihren Teams individuelle Regeln im Umgang mit Technologie erlauben, positionieren sich in der digitalisierten Wirtschaft als attraktive Arbeitgeber.

www.webex.com