Herr Reitze, ohne Strom keine IT. Wie bereitet sich ein IT-Dienstleister auf die allenfalls bevorstehende Energiemangellage vor?
Unsere Rechenzentren sind redundant mit USV-Anlagen und Notstromaggregaten ausgestattet. Als IT-Dienstleister für kritische Infrastrukturen, etwa Spitäler und Apotheken, sind wir von den Bundesbehörden als versorgungsrelevantes Unternehmen eingestuft und stehen schon seit jeher in der Verantwortung, einen unterbruchfreien Betrieb zu gewährleisten.
Aber natürlich machen wir im derzeitigen Umfeld auch unsere «Hausaufgaben», etwa indem wir uns um den Treibstoffnachschub für unsere Dieselgeneratoren kümmern, deren Kapazitäten prüfen oder unsere Notfallpläne mit besonderer Sorgfalt durchexerzieren. Darüber hinaus sensibilisieren wir natürlich unsere Mitarbeitenden, mit der verfügbaren Energie im Unternehmen sparsam umzugehen.
Die Informatik gilt gemeinhin als Stromfresser. Was raten Sie Unternehmen, um Energie in ihren IT-Abteilungen einzusparen?
Das tönt jetzt sehr eigenwerberisch. Aber den grössten Schritt Richtung mehr Energieeffizienz können Unternehmen gehen, indem sie mehr IT-Prozesse auslagern. Moderne professionelle Rechenzentren werden heutzutage mit einem Energieeffizienzwert (PUE) von 1.3 betrieben – 2020 waren es im Schnitt noch fast 1.6. Die Rechenzentrumsanbieter haben in einem Riesen-Innovationssprung ihre Infrastrukturen nachhaltiger und effizienter gemacht.
Mit einer dank Skaleneffekten besseren Serverauslastung und flexibler Ausbalancierung von Workloads sind sie trotz höherem absoluten Energiebedarf insgesamt energiesparender, als es ein inhouse-Betrieb je sein kann.
Inhouse hat man aber durchaus einige Stellschrauben wie etwa den Ersatz von Hardware am Ende ihres Lebenszyklus’ durch neue, energieeffizientere Komponenten, die Optimierung der Kühlung oder das Abschalten wenig genutzter unkritischer oder inaktiver Systeme und Server.
Während der Pandemie haben sich viele Unternehmen stark digitalisiert. Sehen Sie die digitale Transformation nun in Gefahr?
Nein, im Gegenteil. Mit verantwortungsvoller Digitalisierung lässt sich Nachhaltigkeit beschleunigen – beide Themen gemeinsam erschliessen sogar neue Wertschöpfung. Denken Sie an die smarten Dinge, die im Zusammenspiel von Technologien wie Cloud, IoT oder Blockchain möglich werden. Transparenz in Produktions- und Lieferketten und deren datenbasierte Steuerung erhöhen die Effizienz.
Predictive Maintenance oder Remote-Wartung unter Einsatz von Virtual- oder Augmented-Reality-Tools schonen Ressourcen. Ein digitaler Zwilling sorgt für eine viel nachhaltigere Produktentwicklung und -fertigung. In vielen Industrien entstehen digitale Wertschöpfungsnetzwerke, die zu ökologisch und ökonomisch sinnvolleren Wertkreisläufen führen.
Smart Manufacturing, Smart Farming, Smart Building oder Smart Logistics sind Digitalisierungs-Use-Cases, die ein besseres Ressourcenmanagement mit neuen Geschäftsmodellen kombinieren. Ihnen gehört die Zukunft.
An welchen Hebeln können Unternehmen ansetzen, um das optimale Zusammenspiel von Nachhaltigkeit und Digitalisierung zu finden?
Im Moment sind vermutlich alle Unternehmen daran zu prüfen, wo sie Energie verschwenden und wie sie ihr Bestandsgeschäft auf eine mögliche Stromkrise vorbereiten. Krisen setzen jedoch auch immer wieder Kreativität und Impulse für neue Wachstumsinitiativen frei.
Ansätze wie etwa «as a Service»-Modelle, wie sie die IT bereits seit längerem kennt, verlagern die Wertschöpfung von einer energieintensiven Produktion zu einer nachhaltigeren Nutzung. Nach dem Motto «Ich brauche keinen Bohrer, sondern ein Loch» werden künftig auch langlebige physische Güter häufiger getauscht, gemietet oder geleast werden. Firmen können sich so zusätzliche Standbeine oder Kundensegmente erschliessen und diese Geschäftsmodelle internetbasiert effizient abwickeln.
Oder sie können mit datengetriebenen Entscheidungsprozessen effizientere Lösungen finden, die innovativen Kundennutzen und mehr Nachhaltigkeit kombinieren. «Ewig gleich bleibt sich nur der Wandel», heisst es. Veränderungsbereitschaft ist das A und O, was die Schweizer Wirtschaft schon in vielen Krisen erfolgreich unter Beweis gestellt hat.