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Unternehmen

Protektionismus und Unsicherheit als Gefahr

«Multilateraler Handel und gleiche Marktzugangschancen sind eine zentrale Grundlage des heutigen Weltwirtschaftssystems.»
Bild: iStock_MikeMareen

Zwei Studien zeigen deutlich auf, wie sich politische Unsicherheit und Protektionismus auf die Handelspolitik auswirken können und was das für Risiken mit sich bringt. Die Frage ist: Was können wir aus der Vergangenheit für die Gegenwart lernen?

Die Weltwirtschaftskrise der 1920er- und 1930er-Jahre war das einschneidendste wirtschaftliche Ereignis des 20. Jahrhunderts: Die Weltproduktion und der Welthandel sanken dramatisch.

Eine zentrale Rolle in den damaligen Handelsnetzwerken und deren Zusammenbruch spielte – entgegen der landläufigen Meinung –  Grossbritannien. Wirtschaftshistoriker Markus Lampe und seine Co-Autoren untersuchten in einer aktuellen Studie, welche Folgen die zunehmend protektionistische Handelspolitik, vor allem die Zollpolitik – zugunsten des Empires hatte. Die Ergebnisse machen deutlich, wie stark die Auswirkungen sein können, wenn multilateraler Handel und gleiche Marktzugangschancen nicht mehr gewährleistet sind.

Die Fragen, die sich dabei stellten sind etwa: Welche Auswirkungen hat globaler Handel auf einzelne Volkswirtschaften? Kann man sich mit Protektionismus und «Deals» wirklich Vorteile verschaffen? Diese Fragen sind gerade aufgrund aktueller politischer Gegebenheiten wie dem Brexit und auch dem Handelsstreit zwischen China und den USA von hoher Bedeutung, können allerdings nur durch einen Blick in die Vergangenheit – mit historischen Daten – umfassend erforscht werden.

Herkunft der Importe änderte sich

«Grossbritannien war auch im globalen Handel 1930 ein zentrales Glied. Wir wollten wissen, ob dessen recht drastische Zollerhöhungen Anfang der 1930er-Jahre und anschliessende Deals bedeutende Auswirkungen auf den internationalen Handel hatten», sagt Markus Lampe. Im Rahmen der Studie analysierten Lampe und seine Kollegen die gedruckten britischen Handelsstatistiken von 1924 bis 1938, identifizierten repräsentative Produkte und die wichtigsten Handelspartnerländer. Rund 250'000 Beobachtungen wurden in statistischen Modellen in Verbindung gesetzt, um herauszufinden, wie Importe auf Zolländerungen und Mengenrestriktionen reagierten.

Die Ergebnisse zeigen, dass der Rückgang der britischen Importe um über 43 Prozent zwischen 1929 und 1933 nur zu etwa einem Viertel auf die Handelspolitik Grossbritanniens zurückzuführen ist. «Die sonstigen wirtschaftlichen Probleme der Weltwirtschaftskrise waren hier wirkmächtiger – wer weniger produziert, importiert auch weniger», erklärt Lampe. So widersprüchlich das auch tönt.

Starke Auswirkungen hatte die britische Handelspolitik hingegen auf die Herkunft der Importe: Zwischen 1929 und 1933 stieg der Anteil britischer Importe, die aus seinem Empire kamen, um mehr als 10 Prozentpunkte, von 27 auf gut 37 Prozent. Etwa drei Viertel davon waren unmittelbare Folge der Handelspolitik, die das Empire stark bevorzugte. Lampe: «Das bedeutet, dass der Rückgang britischer Importe seine traditionellen Handelspartner in Kontinentaleuropa, USA und Lateinamerika nach 1931 ungleich stärker traf – während sich der Handel mit dem Empire erholte, fiel dieser mit dem Rest der Welt mindestens bis 1933 ungebremst weiter.» Das blieb natürlich bei den betroffenen Ländern nicht unbemerkt und löste zum Teil heftige Gegenmassnahmen aus.

Politischer Alleingang mit Folgen

«Multilateraler Handel und gleiche Marktzugangschancen sind eine zentrale Grundlage des heutigen Weltwirtschaftssystems. Unsere Ergebnisse zeigen, dass Tendenzen, das aufzulösen, tatsächliche Folgen für internationale Handelsströme haben», führt Markus Lampe weiter aus.

Die britische Geschichte legt also nahe, dass das Auflösen internationaler Handelssysteme, der politische Alleingang von Ländern, reale Folgen haben dürfte, die zu nationalen und internationalen Spannungen beitragen konnten – und auch heute noch können. Lampe: «Dies war in der Dekade vor dem zweiten Weltkrieg der Fall und es wäre sicher auch heute ein Problem, wenn sich die derzeitige multilaterale, kooperative Welthandelsordnung, die aus dem Scheitern der Zwischenkriegszeit geboren wurde, zugunsten nationaler Lösungen auflösen würden.»

Sich der Problematik bewusst

Das der Protektionismus auch heute wieder am auferstehen ist, wissen die Schweizer Unternehmer. Aber es gibt auch Lichtblicke. Laut der Studie «We Power the Nation» von Sage unter 3000 Unternehmen in zwölf Ländern – darunter Deutschland, Grossbritannien, Frankreich, Spanien und die Schweiz – erwarten rund die Hälfte der befragten Schweizer Unternehmen eine Zunahme des Handels im kommenden Jahr. Nur zehn Prozent der Schweizer Unternehmen rechnen mit einem Rückgang, während fast ein Drittel (31 Prozent) ein stabiles Handelsniveau erwarten. Der pessimistische Ausblick fällt auf Grossbritannien, wo 23 Prozent der britischen Unternehmen mit einem Rückgang rechnen.

Hingegen nennen elf von zwölf Ländern die internationale politische Unsicherheit als das grösste Hindernis im Handel. Über alle Unternehmen betrachtet, ist die Schweiz das einzige Land, das von dieser Aussage abweicht und den Zeitmangel als vorrangiges Problem für Unternehmen mit Handelsambitionen betrachtet.

Bitte mehr Technologie und Chancen

Bei der Frage, wie die Regierung Schweizer Organisationen im internationalen Handel unterstützen kann, halten sich die Bereitstellung besserer Technologien (25 Prozent), die Entwicklung neuer Absatzchancen auf internationalen Märkten (24 Prozent) und die Intensivierung des Dialogs zwischen Wirtschaft und Regierung (23 Prozent) sowie der Abbau von Handelshemmnissen (22 Prozent) in etwa die Waage.

Für Patrick Hofer-Noser, CEO und Inhaber des Schweizer Solarunternehmens 3S Solar Plus AG, steht vor allem die Chancengleichheit im Vordergrund: «Ein solider Heimmarkt ist für einen Bauprodukthersteller Voraussetzung für eine langfristige Exporttätigkeit. Der Staat sollte sicherstellen, dass wir gleich lange Spiesse wie die internationalen Wettbewerber haben und Marktverzerrungen aufgrund staatlicher Interessen unterbunden werden.» Also ein ganz klare Votum gegen den Protektionismus. 

Europa bleibt der Hauptmarkt

Wie wichtig der grenzüberschreitende Handel für die Schweiz und unsere Unternehmen ist, zeigen folgende Zahlen eindrücklich: Rund die Hälfte (51 Prozent) der befragten Schweizer Unternehmen exportieren, 74 Prozent importieren Waren aus dem Ausland. Diese Anteile sind bei Grossunternehmen mit 65 Prozent bzw. 81 Prozent noch höher.

Westeuropa ist der bevorzugte Exportmarkt der Schweizer Unternehmen (41 Prozent). Ein ähnlicher Anteil exportiert in die USA (40 Prozent), danach folgen Mitteleuropa (38 Prozent) und Osteuropa (37 Prozent). Auch beim Import ist Westeuropa der grösste Markt, aus dem ein Drittel (32 Prozent) der Schweizer Unternehmen importieren, dicht gefolgt von den USA und China (je 29 Prozent).

Europa dürfte auch im kommenden Jahr der Hauptmarkt bleiben, in dem Schweizer Unternehmen Handel treiben wollen: 59 Prozent bezeichnen Europa als vorrangigen Markt. Dies bestätigt auch Patrick Hofer-Noser: «Wir konzentrieren uns auf die DACH-Länder und erwarten hier aufgrund des zunehmenden Klima-Bewusstseins der Immobilienbesitzer, aber auch aufgrund von Rentabilitätsvorteilen gegenüber Ziegeldächern ein gutes Wachstum.»

Ausserhalb Europas betrachtet ein Viertel (25 Prozent) Asien als Priorität, gefolgt von Nordamerika (20 Prozent).