Die Unternehmerzeitung hat sich mit einem Treiber der Digitalen und E-Commerce-Szene unterhalten. Hier die spannenden Einsichten von Thomas Lang über grosse Feindbilder und Chancen für Kleine.
Herr Lang, als Consultant der ersten Stunde erleben Sie, wie es kürzlich ein Insider gesagt hat, eine Art Hassliebe im Handel?
Stationäre Händler, die jeden alternativen Vertriebskanal als Feind betrachten, haben an mir wenig Freude. Ich möchte aber nicht den stationären Handel abschaffen, sondern ihm die Zukunft sichern. Das geht aber immer weniger über den reinen Produktverkauf, und in vielen Märkten schon gar nicht rein stationär. Gefragt sind neben einer sinnvollen Kanalstrategie neue Erlösmodelle, die Produkte mit Services und Erleben verbinden. Die Alternative dazu wäre ein reine Preisführerschaft, und dafür ist der typische Schweizer Händler schlecht gerüstet. Den grossen ausländischen Plattformen reichen heute Margen im einstelligen Prozentbereich.
Das schlimmste Feindbild für den Schweizer Non-Food-Markt dürfte wohl Zalando sein. Wo sehen Sie die Gründe für deren Erfolg?
Zalando ist mit einem geschätzten Umsatz von 920 Millionen Franken mittlerweile nicht nur der grösste Onlineshop der Schweiz, sondern auch der grösste Modehändler überhaupt. Und das ohne einen einzigen Mitarbeitenden in unserem Land. Zalando hat aber frühzeitig konsequent auf Online gesetzt, die Prozesse – allen anderen voran in der Logistik – optimiert. Und nicht zuletzt geht Zalando sehr stark auf die Kunden ein, indem sie portofrei liefern und zurücknehmen, und das sogar auf Rechnung.
Und die Schweiz bleibt eine Onlinewüste?
Nein. Im beschaulichen Steckborn am Bodensee hat Europas grösste, weiterhin schnell wachsende Onlineapotheke «Zur Rose» ihren Sitz. Trotz harten Widerstands seitens stationärer Apotheken und der Politik setzt das Unternehmen jährlich derzeit 1,6 Milliarden Franken um. Wir haben das Glück, am 15. September Walter Hess, Head of Switzerland, als Speaker dabeizuhaben.
Gehts am 15. September 2020 nur um E-Commerce?
Nicht nur. Erfolg ist nicht einfach das Resultat von eingesetzter Technologie. Ohne die richtige Strategie und eine kundenzentrierte Kultur werden wir weder online noch stationär bestehen können. Ein besonderer Leckerbissen wird deshalb der Auftritt von Prof. Dr. Nils Hafner anlässlich der Verleihung der Digital Commerce Awards gleich nach der Konferenz sein. Der passende Titel dazu heisst «Vorhölle eCommerce – was Kunden richtig sauer macht.»
Warum sollte ich an der Konferenz teilnehmen?
Die Connect - Digital Commerce Conference hat sich in wenigen Jahren zum wichtigsten Anlass in diesem Bereich entwickelt. Wir erwarten dieses Jahr gegen 750 Personen, die nicht nur das Who’s Who des Schweizer Retails und Onlinehandels, sondern auch Akteure aus der Produktion und der Wissenschaft treffen. Wer also nicht warten will, bis seine Konkurrenten etwas Neues aus dem Boden stampfen, holt sich hier das Know-how, um seinen Markt selber zu gestalten. Die grosse Teilnehmerzahl hat aber auch damit zu tun, dass sich zahlreiche Inhaber von KMUs einfach aus erster Quelle und der Praxis darüber informieren wollen, wie weit die Digitalisierung fortgeschritten ist.
Die Krise um das Coronavirus hat gezeigt, dass Online-Stores sehr schnell boomen können. Wieso kam es aber zu argen Verzögerungen?
Das Problem ist in der Regel nicht die Zustellung per se und auch nicht die Beschaffung. Die Big Player brachten in ihren Logistikzentren einfach keine grösseren Mengen durch. Auch nicht mit mehr Schichten, weil die Limitierungen durch den Platz gegeben sind. Das heisst: Man kann in einer «Fabrik» immer mehr Material anliefern und mehr Produkte abholen lassen, doch wenn sie diese im Innern nicht mehr verarbeiten können, nützt das nichts.
Der physische Platz im Lager- und Aufbereitungszentrum limitiert das Wachstum?
Könnte, ja. Aber falls der E-Commerce nachhaltig so stark wächst – Kapazitäten für Lager und Hallen sind schnell bereit gestellt.