Niemand macht gerne Frühlingsputz. Aber eine Google Suche ergibt alleine in der Schweiz über 58 000 Einträge zum Thema: Von «Drei Viertel der Schweizer machen Frühlingsputz» bis zu «Frühlingsputz: In 3 Min. zu 5 Offerten!» findet sich alles Mögliche. Das Thema beschäftigt also die Schweiz. Im Unternehmen ist die Gelegenheit, den Finanzbereich in Schuss zu bringen, nie günstiger als jetzt im Frühling.
Die Beziehungen zu Finanzgebern wie Banken, Versicherungen und Aktionären sowie zu Lieferanten und Abnehmern starten mit dem Jahresanfang neu. Oft gelten neue Vertragsbestimmungen, neue Zinssätze und Gebühren, neue Preise und Tarife. Für den Jahresabschluss wurden alle Unterlagen des Vorjahres vervollständigt, geordnet und den Revisoren unterbreitet. Die Revisoren haben ihres Amtes gewaltet und dabei, formell und informell, Hinweise aus unabhängiger Warte gegeben, wo alles im grünen Bereich ist, wo Verbesserungen möglich sind und wie Fehler vermieden werden können.
Der Finanzbereich ist gerade in KMU oft für Personalwesen, Prozesse und Ressourcensteuerung zuständig. In diesen Bereichen greifen nun die Beförderungen und Stellenwechsel vom Jahresende. Neue Mitarbeitende und Vorgesetzte starten mit viel Schwung und frischer Sicht in oft bestandenen Bereichen. Es ist eine Chance, den Neuen gut zuzuhören und es zuzulassen, dass sie Einfluss nehmen, bevor auch sie betriebsblind werden. Das erste Quartal ist oft mit einem Neuanfang verbunden. Das letzte Jahr ist abgefeiert, die guten Neujahrsvorsätze sind noch klar vor Augen.
Ordnung schaffen
Überprüfen Sie im ersten Quartal die Beziehungen zu Lieferanten und Kunden. Werden intern die aktuellen Unterlagen verwendet? Halten sich alle an die neuen Bestimmungen? Oft gibt es Fristen, die einzuhalten sind, um Fehlverhalten wirkungsvoll anzumahnen. Ab dem zweiten Quartal oder wenn mit Offerten veraltete Preislisten und AGB versandt wurden, wird es schwierig, seine Rechte durchzusetzen.
Machen Sie eine einfache ABC-Analyse von Lieferanten und Kunden, um sich auf diejenigen Beziehungen zu fokussieren, wo mit dem geringsten Eingriff die grösste Wirkung erzielt werden kann. Was ab Jahresanfang erhoben wird, ist im dritten Quartal, wenn es um die Budgetierung geht, von enormen Nutzen. Erst für das Budget damit zu beginnen, ist zu spät.
Betrachten Sie Ihre Bank- und Versicherungsbeziehungen kritisch. Die meisten KMU haben eine Hausbank, plus weitere Banken. Bei den Versicherungslösungen ist oft eine Aufteilung auf Anbieter entlang der Trennung in Sach- und Personenversicherungslösungen üblich. Könnte durch Konzentration auf weniger Anbieter die einzelnen Bedingungen dank mehr Verhandlungsmacht verbessert werden? Oder sollten umgekehrt besser «nicht alle Eier ins selbe Nest» gelegt werden und das Risiko aufgeteilt werden? Kann man bei neuen Anbietern von attraktiven Einführungsangeboten profitieren? Generell gilt, dass alle Finanzdienstleister angesichts des anhaltenden Niedrigzinsumfelds vermehrt Gebühren einführen, um kostendeckend arbeiten zu können. Zudem ist der Schweizer Markt gesättigt, wächst kaum, und es herrscht intensiver Wettbewerb.
Neue Tools und Anbieter
Es gibt besonders viele neue Dienstleister, welche gerade im Kredit- und Versicherungswesen ganz neue Modelle anbieten. Eine Übersicht dieser Schweizer Fintech-Firmen, welche mit Technologieeinsatz Finanzdienstleistungen auf ganz neue Art anbieten, publiziert Swisscom regelmässig. Bei sogenannten Crowdfunding-Anbietern wie die Winterthurer Swisspeers können KMU Kredite mit höherem Risiko zu doch bezahlbaren Konditionen beantragen, weil die Bank als Mittelsmann nicht mehr nötig ist.
Das Schweizer Fintech-Startup Systemcredit (siehe Box) lässt den Wettbewerb zu Gunsten von kreditsuchenden KMU spielen: KMU füllen ein einziges Formular aus und erhalten dann mehrere Kreditofferten. Der digitale Versicherungsbroker Knip aus der Kategorie «Insurance» schliesslich will das Versicherungsleben modernisieren. Es lohnt sich, bei diesen neuen Anbietern Offerten einzuholen. Denn Konkurrenz belebt das Geschäft. Ein Vergleich und eine gute Planung lohnen sich deshalb fast immer.
Banken verlangen von KMU-Kunden, dass sie bald nach Abschluss des Geschäftsjahres den Jahresabschluss einreichen, worauf das jährliche Bankgespräch folgt. Das ist eine gute Gelegenheit, die es zu nutzen gilt. Wenn der KMU-Unternehmer vorgängig den Frühlingsputz erledigt und seine Hausaufgaben gemacht hat, ist er darauf vorbereitet.
Prozesse überdenken
Weil der Finanzbereich gerade bei KMU oft für interne Abläufe und Ressourcen zuständig ist, sollte der Frühlingsputz auch nicht vor der Prozesslandschaft zurückschrecken. Das Ordnen der Beziehungen zu Lieferanten und Kunden, der Bank- und Versicherungsangelegenheiten und das Erstellen des Jahresabschlusses wird auch als Prozessanpassungen Spuren hinterlassen. Nie war es einfacher, das Geordnete und Gelernte zu überblicken und daraus Anpassungen zu formulieren als im Frühling. Die neuen Vorgesetzten und Mitarbeitenden spielen dabei als «Change Agents» eine wichtige Rolle. Ihre frische Sicht der Dinge, ihr Dialog mit den Bisherigen und ihre Gestaltungsenergie kann eine unschätzbare Quelle für Innovation sein, die sich auf Prozessabläufe, Verfahren und Produkte auswirken kann. Es wäre schade, den Neuen nicht zuzuhören, ihnen nicht etwas Narrenfreiheit zuzugestehen. Dass mit Änderungen nicht nur ein weiterer Ordner befüllt wird, sondern Prozessanpassungen auch geschult, eingeführt, kontrolliert, korrigiert und damit im Unternehmensalltag wirklich gelebt werden, ist für gut geführte KMU selbstverständlich.
Im ersten Quartal beginnen nicht nur Mitarbeitende in neuen Rollen. Oft starten auch neue Projekte. Deren ambitiöse Ziele gilt es nun umzusetzen. Zu einem Ziel muss ein Plan gehören, wie es umgesetzt werden soll, auch die nötigen Ressourcen aus dem Budget müssen bewilligt sein. Dass in der Umsetzung Probleme zu überwinden sind ist die Regel, nicht die Ausnahme. Deshalb ist Konzentration auf Weniges dafür Wichtiges gut: Gesucht sind Faktoren, welche sich leicht selbst beeinflussen lassen und selbst viel anderes beeinflussen. Die gesetzten Ziele müssen mit Anstrengung erreichbar sein, nicht utopisch. Kommunikation der Ziele und Messung des Erfolgs helfen in der Umsetzung. Und zum Schluss: Nur als Team kann man heute anspruchsvolle Ziele erreichen! Als Team soll man dann die Zielerreichung feiern und idealerweise die Belohnung dafür auch im Team teilen.