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Finance

Neue Form der Kapital­beschaffung

Die Kapitalbeschaffung über einen ICO kommt günstiger als ein Börsengang.

Die Karl Müller AG, ein Schweizer KMU, hat nach langjähriger Forschung einen revolutionären technischen Prozess entwickelt, der es ihr erlaubt, ihre Produkte zu einem Viertel der bisherigen Kosten und doppelt so schnell herzustellen. Die Karl Müller AG wird damit einen grossen Vorsprung auf ihre weltweite Konkurrenz herausholen. Aber wie soll die praktische Umsetzung des Prozesses, die Herstellung und Beschaffung der erforderlichen IT und Maschinen finanziert werden?

Die Gespräche mit möglichen Kreditgebern verlaufen eher harzig, die Konditionen sind wenig attraktiv. Die Karl Müller AG macht sich auch Gedanken zu einem möglichen Börsengang, einem IPO.

Jeder hat schon von Bitcoin gehört. Dabei ist die der Kryptowährung Bitcoin zugrundeliegende Technologie und deren Möglichkeiten weitaus spannender. Ab 2017 sind die auf der Blockchain-Technologie beruhenden sogenannten Initial Coin Offering (ICO, auch Token Sale oder Token Generating Event, TGE, genannt) geradezu explodiert. Bislang waren es vor allem Start-ups im Bereich der Blockchain-Technologie, die sich mit einem ICO Kapital beschafft haben, sei es für die Entwicklung oder für weiteres Wachstum und die Verbesserung eines bestehenden Produkts oder einer Dienstleistung. Nicht alle Versprechungen dieser Start-ups sind über alle Zweifel erhaben. Die Karl Müller AG aber verfügt über einen erprobten technischen Prozess, der nur noch umgesetzt zu werden braucht und attraktive Gewinne erwarten lässt. Ein ICO wird zum Thema in der Geschäftsleitung.

Günstiger als ein Börsengang

Ein ICO ist eine spezielle Art von Crowdfunding, bei welchem den Investoren gegen Einzahlung von Kryptowährungen oder traditionellem FIAT-Geld sogenannte Coins oder Token digital ausgegeben werden. Mit den Coins oder Token erwirbt der Investor eine Art Beteiligung am Unternehmen oder an einem Projekt. Die FINMA hat in ihrer Wegleitung zu ICOs vom 16. Februar 2018 drei Token-Kategorien definiert: sogenannte Zahlungs-, Nutzungs- und Anlage-Token. Die Qualifikation erfolgt aufgrund des Zwecks und der Charakteristika eines Token. Dabei verfolgt die FINMA eine wirtschaftliche Betrachtungsweise, das heisst, die Einordnung eines Tokens in die entsprechende Kategorie (Mischformen sind möglich) erfolgt aufgrund des tatsächlichen Gehalts. Ob und in welchem Umfang bei einem ICO regulatorische Gesetze zur Anwendung gelangen, hängt wiederum von der Einordnung des konkreten Tokens ab.

Es ist daher entscheidend, wie der Token aus rechtlicher Sicht ausgestaltet wird, um etwa die Unterstellung unter das Banken-, das Börsen- und Effektenhandels- oder das Kollektivanlagegesetz zu vermeiden. Das ist gleichzeitig einer der Hauptvorteile eines ICO im Vergleich zum IPO: Ein ICO ist weniger reguliert und kann schneller durchgeführt werden. Ebenfalls sind die Kosten eines ICO überschaubarer. Es muss realistischerweise mit Gesamtkosten im Bereich von 0,3 bis 2 Millionen Franken gerechnet werden, wobei diese Summe Marketing & Kommunikation, Technik & Programmierung sowie Legal & Compliance beinhaltet. Der Beizug von ausgewiesenen Spezialisten aus den jeweiligen Bereichen ist dabei unerlässlich. Nach reiflicher Überlegung und einer Abklärung der Chancen und Risiken durch Experten entschliesst sich die Karl Müller AG, einen ICO ins Auge zu fassen.

Auch wenn es ICOs erst seit kurzem gibt – der erste fand 2013 statt – und ICOs bislang vorwiegend von IT-affinen Startups im Bereich Blockchain-Technologie erfolgten, mehren sich die Anzeichen, dass eine Annäherung zwischen konventioneller Wirtschaft und Krypto-Gemeinschaft erfolgt. Bereits sind mehrere ICOs angekündigt, mit welchen Unternehmen traditionelle Geschäftsmodelle auch in die Blockchain-Welt transferieren. Dieser Wandel wird kommen. Und wenn die IT Entwicklung der Vergangenheit ein Indikator ist, schneller als wir denken. Wie Charles Darwin sinngemäss sagte: Es ist nicht der Stärkste, nicht der Intelligenteste, der überlebt, es ist derjenige, der sich am ehesten dem Wandel anpassen kann. Das gilt auch für Unternehmen.