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Finance

Wenn der Aktionär zu viel aus der Firma nimmt

Mario Huber ist seit sechs Jahren Präsident des Schweizerischen Finanzberaterverbandes SFBV und Mitinhaber der Finanzberatungsfirma Huber & Bruderer AG.
Foto: zVg

Beim Aktionärskontokorrent kann es enorme Folgen haben, wenn der Aktionär zu viel Geld aus der Firma zieht. Die Konsequenzen sind den meisten nicht bewusst.

Die Aktiengesellschaft ist sowohl eine sinnvolle wie auch häufig gewählte Unternehmensform. In der Schweiz waren per Anfang 2017 rund 212 000 Aktiengesellschaften im Handelsregister eingetragen (und weitere 180 000 GmbHs) – eine enorme Zahl angesichts der Gesamtbevölkerung. Die hohe Zahl an AGs in der Schweiz weist auf Kreativität und Ideenreichtum der Schweizerinnen und Schweizer hin. Allerdings beinhaltet eine AG als Unternehmensform auch die Gefahr, sich im komplexen Aktienrecht zu verfangen.

Erfahrungsgemäss existieren bei den meisten Inhabern Darlehen an die Firma oder Kontokorrente, mit denen der Inhaber mögliche Liquiditätsengpässe überwindet. Auch Investitionen werden so finanziert. Eine in der Praxis häufig beobachtete «Fehlmanipulation» ist jedoch die umgekehrte Situation: Der Aktionär – aus welchen Gründen auch immer, ob willentlich oder unbewusst – zieht zu viel Geld aus der Firma. Bemerkt die Steuerbehörde eine im Kontext unverhältnismässig hohe Forderung des Unternehmens an den Aktionär, besteht die Gefahr, dass die Behörde das Kontokorrent als sogenanntes «simuliertes Darlehen» qualifiziert oder anders gesagt als geldwerte Leistung an den Aktionär. Die Steuerfolgen einer solchen Aktion reichen für Unternehmer von unangenehm bis zu existenzbedrohend. Hierbei ist zu bemerken, dass es steuerlich keinen Unterschied macht, ob eine AG oder GmbH vorliegt.

Beweislage muss klar sein

Die Steuerrechtsexpertin Tamara Tormen brachte die kritischen Themen eines solchen Vorgehens an einem Anlass des Schweizerischen Finanzberaterverbandes SFBV auf den Punkt: «Dieses simulierte Darlehen wird als solches qualifiziert, wenn insbesondere folgende Merkmale vorliegen: fehlender Rückzahlungswille oder objektive Unmöglichkeit, das Geld zurückzuzahlen (aufgrund der privaten Finanzlage), ein fehlender schriftlicher Darlehensvertrag und nicht zuletzt keine Bezahlung von Zinsen, sondern Novation der Zinsverpflichtung in eine zusätzliche Darlehensschuld.» Dabei ist gemäss Bundesgericht zwischen ursprünglicher sowie nachträglicher Simulation zu unterscheiden. Erstere liegt vor, wenn eine Rückzahlung bereits bei der Gewährung des Darlehens nicht geplant war. Zweitere, wenn die Darlehensgeberin erst später auf die Rückzahlung verzichtet. Besonders heikel wird die Situation, wenn solche Bezüge des Aktionärs als Erhöhung des Darlehens verbucht werden und die Lohnbezüge parallel dazu stagnieren oder gar sinken.

Das «simulierte Darlehen» wird als verdeckte Gewinnausschüttung behandelt. Für eine Qualifizierung als Simulation muss die Steuerbehörde klare Indizien haben, die sich zu einem eindeutigen Beweis für eine solche verdeckte Gewinnausschüttung verdichten müssen. Zusätzlich zu den genannten Gründen wären Indizien gemäss Steuerexpertin Tormen: Das gewährte Darlehen ist durch den Gesellschaftszweck nicht abgedeckt. Das gewährte Darlehen ist im Rahmen der Bilanzstruktur ungewöhnlich. Der Schuldner muss keine Sicherheiten leisten oder hat keine Rückzahlungsverpflichtungen. Fragen Sie sich: Würde das Unternehmen jemandem ein ähnliches Darlehen in dieser Höhe gewähren, wenn er nicht Aktionär wäre? Hat diese Person überhaupt eine entsprechende Bonität oder Sicherheiten?

Frühzeitig regeln

Kommt es tatsächlich zum Punkt, an dem die Beweislage klar ist, sind die Steuerfolgen sowohl für die Gesellschaft als auch für den Aktionär beträchtlich. Das Unternehmen darf allfällige Abschreibungen des Darlehens oder Forderungsverzichte gewinnsteuerlich nicht als Aufwand geltend machen. Bedeutender sind die Verrechnungssteuerfolgen, da diese geldwerte Leistung ja analog einer Dividendenausschüttung taxiert wird und somit verrechnungssteuerpflichtig ist. «Diese kann extrem hoch sein, unter gewissen Voraussetzungen bis zu 53 Prozent. Zudem gibt es einen happigen Verzugszins von fünf Prozent», resümiert Steuerexpertin Tormen. Bei diesen hohen Nachforderungen stellt sich bald einmal die Frage nach der Liquidität des Unternehmens, falls die Verrechnungssteuer nicht beim Aktionär aufgrund seiner fehlenden Liquidität eingefordert werden kann.

Für den Aktionär fällt privat die Einkommenssteuer für die Aufrechnung des Geldzuflusses an (geldwerte Leistung = Dividendenertrag). Zudem kann die erwähnte Verrechnungssteuer, die das Unternehmen zu leisten hat, in dieser Konstellation vom Aktionär nicht mehr zurückgefordert werden. «Es bestehe kein Anspruch auf Rückerstattung, wenn die geldwerte Leistung nicht ordentlich in der massgebenden Steuererklärung deklariert wurde oder keine Nachdeklaration vor Rechtskraft der Steuerveranlagung erfolgte, die nicht auf eine Intervention, Auflage etc. der Steuerbehörde initiiert wurde», warnt Tormen. Nicht selten führen diese Mehrbelastungen auch hier zu einem Engpass bei der privaten Liquidität. Deshalb zieht Steuerrechtsexpertin Tamara Tormen folgendes Fazit: «Bereits bei der Belastung von Schuldbeträgen auf dem Aktionärskontokorrent oder bei der Gewährung eines Darlehens an den Aktionär muss vorzeitig festgehalten sein, wie diese Schuld zurückgeführt wird.»

Nur so vermeidet man böse Überraschungen oder existenzbedrohende Entwicklungen für den Unternehmer und das Unternehmen.