Der Fachkräftemangel ist bereits heute für Unternehmen eine Herausforderung, und er wird sich weiter zuspitzen. 2016 sind in der Schweiz erstmals mehr inländische Arbeitskräfte aus dem Arbeitsmarkt ausgeschieden als nachgerückt. Wenn nichts unternommen wird, hat die Schweiz bis 2030 einen Mangel von rund einer halben Million Arbeitskräfte. Neue Lösungswege sind gefragt.
Um dem Mangel entgegenzuwirken, sollte das Potenzial älterer Mitarbeiter vermehrt genutzt werden, wie Deloitte in der neuen Studie «Motiviert, optimistisch und pflichtvergessen» schreibt. «Unternehmen müssen anfangen, nicht nur darüber nachzudenken, wie sie die richtig ausgebildeten, sondern zukünftig überhaupt genügend Arbeitskräfte finden. Eine zentrale Strategie besteht darin, bestehende, aber untergenutzte Arbeitskräftepools besser auszuschöpfen. Viel Potential gibt es bei Frauen, älteren Arbeitskräften sowie bei den Teilzeitangestellten», sagt Myriam Denk, Leiterin Future of Work bei Deloitte Schweiz.
Falsche Vorurteile
Leider bestünden gerade bei Schweizer Unternehmen viele Vorurteile gegenüber älteren Arbeitskräften. Sie seien wenig motiviert, nicht genügend qualifiziert und wenig flexibel. Ein Drittel der Schweizer Firmen sehen ältere Erwerbstätige als Wettbewerbsnachteil und nur gerade 20 Prozent der Schweizer Unternehmen greifen zur Linderung des Fachkräftemangels auf die Rekrutierung von älteren Arbeitnehmer und anderen alternativen Gruppen zurück.
Die Vorurteile stimmen jedoch nicht, wie die Studie zeigt. Gemäss dieser möchten 27 Prozent der über 50-Jährigen in der Schweiz über das Rentenalter hinaus weiterarbeiten – die hoch qualifizierten Arbeitskräfte sind dabei stark übervertreten. Darüber hinaus geben 85 Prozent der über 55-Jährigen an, dass sie bei der Arbeit motiviert sind, 89 Prozent mögen ihre Arbeit und 81 Prozent denken, dass ihre Arbeit wertgeschätzt wird – alles deutlich höhere Zahlen als bei allen anderen Altersgruppen.
Neue Modelle
Um das Potenzial der älteren Mitarbeiter besser zu nutzen und sie länger im Arbeitsprozess zu behalten, gilt es seitens der Unternehmen flexiblere Arbeits- und Karrieremodelle zu entwickeln. «Unternehmen müssen mehr Karrieremodelle anbieten, die es den Mitarbeitern erlauben, länger und flexibler zu arbeiten. Sie müssen auch ihre Personalstrategie anpassen, um ein längeres Erwerbsleben zu ermöglichen und unbewusste Vorurteile beim Rekrutierungsprozess zu reduzieren», so Myriam Denk.
Zu den alternativen Karrieremodellen für die über 55-Jährigen gehören sogenannte Bogenkarrieren – bei denen Arbeitsbelastung, Verantwortung und Entlohnung schrittweise reduziert werden –, Job-Sharing mit jüngeren Nachfolgern zum Wissenstransfer oder Rollen als Coach oder Mentor. Denkbar seien auch, einen Pool von interessierten pensionierten Arbeitskräften zu bilden, um deren Know-how bedarfsorientiert zurück ins Unternehmen zu holen.