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Management

Scheitern – vorprogrammiert?

Sind Industrie-4.0-Projekte ähnlich umsetzungsresistent wie Grossprojekte? Die Analogie liegt aufgrund der komplexen Strukturen beider Vorhaben auf der Hand. Immerhin erfüllen 80 Prozent aller Automationsprojekte nicht die gesetzten Zielsetzungen und 30 Prozent aller IT-Projekte scheitern komplett. Unser Autor Adrian Specker von der FHNW plädiert deshalb für eine äusserst konsequente Vorgehensweise bei Industrie-4.0-Projekten.

 

(pi) Bei komplexen Grossprojekten lässt sich der Projekterfolg nicht einkaufen. Beispiele dafür sind der Bau des Berliner Flughafens oder das deutsche «Toll Collect»-Projekt (siehe Kasten «Auf einen Blick»). Die Verantwortung für komplexe Projekte lässt sich nicht delegieren. Mit guten Verträgen kann bestenfalls der monetäre Schaden begrenzt werden. Bent Flyvbjerg, Wissenschaftler an der Universität Oxford, spricht in diesem Zusammenhang vom Prinzip des «survival of the unfittest». Anhand seiner Untersuchungen von Infrastrukturprojekten weist er darauf hin, dass paradoxerweise gerade jene Unternehmen Aufträge und Finanzierung erhalten, welche von manipulierten Kosten-Nutzen-Analysen ausgehen. So werden regelmässig die Projektkosten untertrieben und der Nutzen überhöht.

Wenig hilfreich ist der Umstand, dass die Disziplin des Projektmanagements weder über allgemein akzeptierte Standards noch über eine angemessene Einheitlichkeit verfügt. Ein Methodenvergleich von Zertifizierungsansätzen wie dem PMI (Project Management Institute), der IPMA (International Project Management Association), Hermes (Schweizerische Eidgenossenschaft), Prince 2 sowie von agilen Methoden wie «Scrum» zeigt in Bezug auf die methodische Strukturierung fast mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten. Viele grössere Unternehmen setzen vermutlich aus der Not heraus auf eigene Projektmanagementstandards und Vorgehensmethoden.

Es scheint klar, dass sich kein Unternehmen mit diesen methodischen Befunden zufriedengeben darf. Auch hochkomplexe und grosse Projekte müssen inhaltlich, terminlich und kostenmässig erfolgreich umsetzbar sein. Mit Industrie 4.0 steht die Unternehmenswelt vor grossen Herausforderungen: Die zunehmende Digitalisierung der Geschäftsmodelle, die Verknüpfung «intelligenter Objekte» mit «intelligenten Maschinen» und der zunehmende Einsatz von dezentralen IT-Lösungen machen Projekte noch komplexer.

Wie aber kann ein Industrie-4.0-Projekt mit konvergenten Automations-, Infrastruktur- und Informatikkomponenten von Erfolg gekrönt sein, wenn statistisch bereits jede Einzeldisziplin mit «ungenügend» abschneidet? Das disruptive Potential entsteht nämlich erst aus der Verbindung und den Schnittstellen dieser drei Diszi-plinen. Die Kombination mehrerer Schrittmacher- und Schlüsseltechnologien in ein und demselben Projekt wird zum hohen Risiko für das Zeit- und Kostenmanagement.

Zu «kritischen Erfolgsfaktoren» von Projekten gibt es eine unüberschaubare Anzahl an Studien. Es ist eine grosse Anzahl an korrekt umgesetzten Elementen, die den Projekterfolg ausmachen. Vier davon sind:

  • Zyklisch-iterative Vorgehensmodelle: Projekte sollten zwingend klein begonnen und evolutionär weiterentwickelt werden.
  • Mit bewusst geringem Risiko ein erstes «lebensfähiges» Produkt, das «minimum viable product», marktfähig machen.
  • Methoden des Projektmanagements anwenden.
  • «Soft Skills».

Konkrete Aussagen zu Umsetzungsschritten in Bezug auf Industrie-4.0-Projekte können Sie in der «Technischen Rundschau» 3/16 auf Seite 22 lesen oder unter www.technische-rundschau.ch abrufen (Suchbegriff: «Projekterfolg ist planbar»).

Im Herbst startet die Hochschule für Technik FHNW den neuen Zertifikatslehrgang «CAS Industrie 4.0». Erfolgreiches Projektmanagement ist dabei ebenfalls ein Thema.

Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW, Hochschule für Technik
5210 Windisch, Tel. 056 202 99 55
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