Herr Boydak, warum ist künstliche Intelligenz nicht nur ein Thema für hochqualifizierte Softwarespezialisten?
Unter «Artificial Intelligence»(AI) respektive «künstlicher Intelligenz» wird ein sehr vielfältiges Feld mit einer ganzen Palette von Anwendungsbereichen und unterschiedlichen Technologien zusammengefasst – seien es physische Roboter, noch nicht so bekannte Softwareroboter, Themen wie Sprach- und Bilderkennung bis hin zu maschinellem Lernen und neuronalen Netzwerken. Damit wird auch klar, dass AI in alle Bereiche unserer Wirtschaft und Gesellschaft vordringen und diese massiv verändern wird. Darum handelt es sich eben nicht nur um ein reines IT-Thema.
Was genau macht die AI Business School?
Die AI Business School hilft den Menschen, sich für das Zeitalter der künstlichen Intelligenz fit zu machen. Dazu orchestriert sie ein einzigartiges, globales AI-Bildungsökosystem unter aktiver Einbindung der weltweit besten Experten, Firmen und Institutionen im Bereich der künstlichen Intelligenz. Zu diesem herausragenden Wissen wollen wir in Form von umfassenden, auf Zielgruppen und Regionen zugeschnittene Weiterbildungsprogramme Zugang bieten. Dazu gehören Mittelständler, Firmeninhaber, Managerinnen und Manager, Mitarbeitende grosser Unternehmen und KMU, Selbständige, aber auch junge und alte Menschen. Ziel ist es jeweils, unmittelbar praktisch einsetzbares Wissen mit schnellem, positivem Nutzen für Mensch und Gesellschaft zu vermitteln und einen verantwortungsvollen und nachhaltigen Einsatz von AI zu ermöglichen. Dadurch leisten wir einen Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz. Ziel ist es, die Schweiz und Europa zu einem bedeutsamen internationalen Bildungshub für künstliche Intelligenz zu machen.
Wie sehen die Lerninhalte der AI Business School konkret aus?
In der AI Business School betrachten wir künstliche Intelligenz auf eine ganzheitliche Weise mit allen damit verbundenen Aspekten. Dies beinhaltet neben technischen und wirtschaftlichen Aspekten insbesondere auch soziale und ethische Aspekte. Ziel dabei ist, einen verantwortungsvollen Umgang mit AI zu ermöglichen. Das umfassende interdisziplinäre Curriculum kombiniert dabei effektive Onlinekurse mit gezielten Präsenzveranstaltungen – zugeschnitten für unterschiedliche Bedürfnisse unterschiedlicher Zielsegmente, Regionen und Branchen.
Warum nimmt das Thema AI jetzt gerade richtig an Fahrt auf?
Durch den rasanten technologischen Fortschritt und die ebenso schnelle Verbreitung von immer besseren mobilen Endgeräten nutzen bereits heute fast alle Menschen auf AI-Technologien basierende Anwendungen. So hat fast jeder Mensch mittlerweile seinen persönlichen Hochleistungscomputer in Form eines Smartphones in der Hosentasche. Dadurch entstehen natürlich gigantische Mengen an Daten – der Treibstoff für künstliche Intelligenz. Diese qualitativ hochwertigen Daten können analysiert und «prädiktiv» genutzt werden. Im B2B-Bereich sind es unzählige, mittlerweile sehr günstige und zugleich leistungsstarke Sensoren, die in Produktionsanlagen, Fahrzeugen, Flugzeugen, Postpaketen oder Warenlagern eingesetzt werden. Künstliche Intelligenz ist also keine Zukunftsmusik, in Tat und Wahrheit sind wir bereits von unzähligen Anwendungen umgeben.
Inwiefern ist künstliche Intelligenz ein Thema, mit dem sich jedes Unternehmen beschäftigen muss?
Es ist sicher nicht das einzige, aber aus meiner Sicht eines der absoluten Top-Themen, mit denen sich wirklich jedes Unternehmen auseinandersetzen sollte. Denn künstliche Intelligenz dringt unaufhaltsam in alle Bereiche vor und macht vor keiner Branche halt. Sie führt zu völlig neuen Möglichkeiten intelligenter Automatisierung und erlaubt damit signifikante Effizienzsteigerungen, erhöhte Schnelligkeit und grössere Skalierbarkeit. Besonders, und von vielen noch nicht in ausreichendem Masse berücksichtigt, ist zudem, dass sie auch zu völlig neuen Geschäftsmodellen und Kundenerlebnissen beitragen kann. Wir Unternehmer müssen AI verstehen und beherrschen, um unser Geschäft zukunftstauglich auszurichten.
These: Die Schweiz hat gute Voraussetzungen, zum Innovationslabor für künstliche Intelligenz zu werden. Ja oder Nein?
Ja und Nein. Auf der einen Seite hat die Schweiz eine gute Ausgangsbasis. Wir verfügen über eine gute Infrastruktur, exzellent ausgebildete Menschen und ein stabiles politisches und wirtschaftliches Umfeld – insbesondere sehr gut agierende, wettbewerbsfähige kleine und mittelständische Unternehmern. Aber wir dürfen uns dennoch nichts vormachen: Der praktische Einsatz von AI-Lösungen hinkt in der Breite der Schweizer Unternehmen und auch der öffentlichen Verwaltung und Gesellschaft insgesamt sehr deutlich hinter vielen anderen Ländern hinterher. Leider. Die USA und China beispielsweise haben uns diesbezüglich bereits abgehängt. Wir müssen richtig Gas geben, um den Rückstand aufzuholen.
Spracherkennungssoftware und Chatbots kennt man bereits. Wo wird AI noch zum Einsatz kommen?
Es gibt sehr viele Anwendungen, die bereits heute einen hohen Reifegrad haben. Ein in der Schweiz immer noch stark unterschätztes Thema ist RPA: Robotics Process Automation. Dabei handelt es sich um eine neue Generation von Software-Robotern, mit der man sehr schnell und einfach bisher mit hohem Ressourceneinsatz manuell zu erledigende Büro- und Computerarbeiten automatisieren kann – vor allem repetitive Standardaufgaben wie Recherche, Buchhaltung, Controlling, Dateneingabe und Administration. Experten schätzen, dass bis zu 50 Prozent solcher Tätigkeiten in den nächsten rund 20 Jahren automatisiert werden können. Ein immenses Potenzial also, das bereits heute gehoben werden könnte. Dass es nicht viel weiter oben auf der Agenda vieler Schweizer Unternehmen steht, ist eigentlich unverständlich. Vor allem für ein Hochlohnland wie unseres sollte RPA eine Pflichtübung sein.
Welche Jobs sind von der Software-Automatisierungswelle bedroht?
Man geht davon aus, dass etwa die Hälfte aller heutigen Jobs in den nächsten 20 bis 30 Jahren komplett verschwinden wird. Fast alle anderen Berufe werden sich zumindest spürbar verändern. Kaum ein Bereich bleibt verschont. Dies gilt nicht nur für einfache Bürotätigkeiten, sondern auch für Aufgaben von gut ausgebildeten Arbeitskräften wie Anwälten oder Ärzten. Man darf AI dennoch nicht als Jobkiller sehen, denn es werden auch viele neue Aufgabengebiete und Jobs entstehen. Die meisten davon kennen wir heute noch nicht einmal genau. Das unterstreicht die grosse Notwendigkeit für massive Schulungs-, Umschulungs- und Weiterbildungsanstrengungen.
Welchen generellen Einfluss wird künstliche Intelligenz auf die Arbeitswelt haben? Werden in Zukunft nur noch hochqualifizierte Jobs angeboten? Werden soziale Kompetenzen wichtiger?
Auch hochqualifizierte, traditionelle Berufe sind nicht sicher vor den Veränderungen. AI wird zunehmend auch die Aufgaben von Anwälten, Ärzten und Softwareentwicklern übernehmen – zumindest in Teilen. Allerdings ist fortlaufende Bildung ein guter Schutz. Und ja: Wir müssen in der Bildung gerade von jungen Menschen die zutiefst menschlichen Eigenschaften viel stärker hervorheben als bisher, vor allem soziale und emotionale Kompetenzen, Kreativität, interdisziplinäres Denken, Teamfähigkeit, Empathie. Hier sind Maschinen auf absehbare Zeit «schwach auf der Brust».
Was unterscheidet menschliche von künstlicher Intelligenz?
Da gehen die Meinungen stark auseinander. Fest steht: Heute ist die künstliche Intelligenz noch weitaus weniger schlau als ein schlauer Mensch. Aber der Abstand schmilzt – zumindest was die rationalen und analytischen Fähigkeiten angeht. Ob und wann wir künstliche Intelligenz auf dem Niveau des Menschen oder sogar eine diese übertreffende Super-Intelligenz erleben werden, lässt sich noch nicht voraussagen. Meine persönliche Meinung: Neben Intellekt und Rationalität machen den Menschen ganz entscheidend auch Emotion und Seele aus. Damit wird er meiner Meinung nach der Maschine immer überlegen bleiben.
Welche spezifisch menschliche Eigenschaft ist Ihnen besonders wertvoll?
Die meisten AI-Experten werden es vermutlich nicht gerne hören, weil sie selber oft äusserst rational und analytisch sind. Aber ich persönlich schätze die menschliche Emotion viel höher ein als den reinen Verstand – Menschlichkeit in Form von Mitgefühl, Herzlichkeit und Liebe, und zwar ohne egoistische oder materielle Eigeninteressen. Und ich schätze auch Intuition als ganz wichtige menschliche Eigenschaft. Emotion und Intuition scheinen mir natürlicher und wichtiger als unsere rationale Denkfabrik im Kopf – und auch liebenswerter als die reine Ratio.
AI BUSINESS SCHOOL
Die erste praxisorientierte AI Business School der Schweiz wurde im März 2019 in Zürich lanciert. Die AI Business School startet mit praxisorientierter Weiterbildung für Führungskräfte und will danach Schritt für Schritt die gesamte Gesellschaft fit machen für eine neue durch AI geprägte Zukunft. Thematisiert werden neben den aktuellsten AI-Entwicklungen im Allgemeinen spezifisch auch Robotics Process Automation, Spracherkennung und -generierung, Chatbots sowie Machine und Deep Learning inklusive Ethics und Cyber Security.