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Management

«Wir sind auf Freihandel angewiesen»

Claudia Moerker, Geschäftsleiterin von swiss export.
Foto: zVg

Die Stimmung unter den Schweizer Exporteuren ist gut. Nach einem erfolgreichen Jahr erwarten viele im 2019 weiteres Wachstum – trotz neuer Unsicherheiten auf dem Weltmarkt. Der zunehmende Protektionismus bereite vielen KMU Sorgen, sagt Claudia Moerker. Mit der Geschäftsleiterin von swiss export unterhielten wir uns über die Herausforderungen und Chancen der Exportnation Schweiz.

Die Exportindustrie wächst. Wie ist die Stimmung unter Ihren Mitgliedern?
Gemäss einer kürzlich durchgeführten Mitgliederumfrage beurteilen zwei Drittel der Exporteure trotz der bevorstehenden Veränderungen und der Verschärfung des Wettbewerbs die aktuelle wirtschaftliche Lage für die nächsten zwölf Monate als gut bis sehr gut, was eigentlich erstaunlich ist. Doch die Stimmung unserer Mitglieder ist nicht ungetrübt. Insbesondere zwei Themen bereiten Sorgen: Fachkräftemangel und der wachsende Protektionismus.

Wie erklären Sie sich die Zuversicht?
Die Auftragsbücher sind gut gefüllt und die deutsche Wirtschaft läuft gut. Deutschland ist ein enorm wichtiger Markt, rund 60 Prozent der Exporte gehen in unser Nachbarland. Doch die politischen Unsicherheiten nehmen zu, was auch die Schweizer Unternehmen beschäftigt. Grundsätzlich geht es der Wirtschaft gut, wobei auch branchenspezifische Unterschiede zu berücksichtigen sind. Einige Branchen konnten im 2018 hervorragende Resultate vorweisen, beispielsweise Unternehmen im Bereich der Präzisionstechnologie.

Der international zunehmende Protektionismus beschäftigt. Wie beeinflusst er die Schweiz?
Wir sind eine Exportnation. Etwas mehr als jeder zweite Franken wird heute im Ausland erwirtschaftet. Jeder Export ist an spezifische Voraussetzungen und Richtlinien gebunden, die wir einhalten müssen. Darum sind wir auf Freihandel, auf gute Rahmenbedingungen, angewiesen, damit die Schweiz mit gleich langen Spiessen am Wettbewerb teilnehmen kann. Wir als swiss export sind ja im Aus- und Weiterbildungsbereich tätig und spüren diesbezüglich derzeit eine gewisse Verhaltenheit bei den Unternehmen. Vermutlich beansprucht auch die Digitalisierung im Hintergrund einige Ressourcen.

 

«2009 geht als Annus ­horribilis in die Geschichte ein. Die Auswirkungen waren sehr lange ­spürbar.»

 

Fehlen die Ressourcen dadurch im Exportgeschäft?
Die Prozesse wurden bereits neu strukturiert, was auch nötig war. Darum haben Schweizer Exporteure im Vergleich mit anderen Ländern die Krisen relativ gut überstanden. Die grossen Weichen wurden gestellt, doch viele Themen beschäftigen immer noch. Es werden nach wie vor Arbeitsplätze ins Ausland verlegt, Teilprozesse neu strukturiert, gewisse Produkte nicht mehr hergestellt oder das Sortiment wird angepasst. Die Digitalisierung beansprucht zusätzliche Ressourcen, die Chancen im Markt, die Geschäftsmodelle und Technologien werden neu beurteilt.

Die Aufhebung des Euro-Franken-Mindestkurs durch die Schweizerische Nationalbank war 2015 ein Schock für die Exportindustrie. Doch bereits 2016 hatten sich die Exporteure wieder recht gut erholt. Ist der Schock heute überwunden?
Der grosse Schock war nach der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 und 2009 insbesondere im Sommer 2011, als der Eurokurs 1,0075 Schweizer Franken und somit Parität erreichte. 2009 geht als Annus horribilis in die Geschichte ein. Die Auswirkungen waren sehr lange spürbar, vor allem die KMU brauchten lange, bis sie wieder Fuss gefasst hatten. Aber damals hatten sie noch Mittel, die sie investieren konnten. Und sie haben ihre Hausaufgaben gemacht: Sie haben ihre Prozess strukturiert, ihre Technologien umgestellt, Produktesortimente verändert und sie sind näher zum Kunden gegangen. Deshalb waren die Effekte 2015 bescheidener. Viele Altlasten waren damals bereits bereinigt.

Viele Firmen haben einen Standort in Deutschland. Wurde das Wechselkursthema überbewertet?
Die Niederlassungsthemen wurden bereits 2009 angegangen. Einen Standort in der EU ist auch aus diversen rechtlichen und steuertechnischen Überlegungen ein Vorteil, bei Dreiecksgeschäften ist er essenziell. 2009 hiess es, ein Kurs von 1,50 bis 1,45 sei die Grenze. 2015 hiess es, ein Kurs von 1,35 und 1,15 sei das Minimum, um als Schweizer Unternehmen noch gute Geschäfte machen zu können. Das Thema ist nicht vom Tisch, aber wir können es nicht ändern. Wir als Verband spüren diese Entwicklungen natürlich: Es werden weniger Seminare gebucht und weniger Mandate beauftragt. Das hemmt wiederum uns beim Aufbau des Exportgeschäfts, weil die Unternehmen sich auf die umliegenden Märkte konzentrieren. Die schwierigeren Märkte werden vernachlässigt. Wenn zusätzlich politische Bedingungen wie jetzt in Brasilien, der Türkei oder im Iran hinzukommen, brechen die Exporte völlig ein. Und China ist ja auch...

 

«Wir müssen weiterhin auf die eigenen Stärken vertrauen. Schweizer Unternehmen sollten noch viel deutlicher ihre Qualitäten gegen aussen kommunizieren.»

 

Ein schwieriger Markt?
Schwierig für ein KMU, aber ein Markt, der sich jetzt entscheidend verändert: weg von einem reinen Bezugsmarkt hin zu einem Qualitätsinlandmarkt. Für Schweizer Unternehmen eröffnen sich damit interessante neue Möglichkeiten.

Emerging Markets – liegen dort die neuen Chancen?
Das 21. Jahrhundert ist das asiatische Jahrhundert. Es ist hungrig, es ist jung und es ist weiblich.

Was ist mit Brasilien, Argentinien, Mexiko?
Die Mercosur-Staaten sind grundsätzlich attraktiv, doch einige lateinamerikanische Länder, gerade Brasilien, haben grosse Probleme. Mexiko ist für Bereiche wie Automotive und Food nach wie vor interessant.

Der Euroschock ist zumindest teilweise überwunden, doch der internationale Wettbewerbsdruck wird weiter zunehmen. Wie bleibt die Schweiz eine Exportnation?
Wir müssen weiterhin auf die eigenen Stärken vertrauen. Schweizer Unternehmen sollten noch viel deutlicher ihre Qualitäten wie Genauigkeit, Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und Qualität gegen aussen kommunizieren. Diese Qualität rechtfertigt auch den Preisunterschied, und das muss man auch verkaufen. Dafür muss man die eigenen Mitarbeiter entsprechend schulen, damit sie bereits bei den Vertragsverhandlungen gute Konditionen aushandeln. Hier kommen wir als Verband ins Spiel, indem wir mit Seminaren und Fachveranstaltungen Hand bieten. Darüber hinaus müssen wir als Exportnation innovativ bleiben und vor allem den Generationenwechsel aktiv angehen.

Die Schweiz ist ein teurer Produktionsstandort. Novartis gab im Oktober bekannt, dass 2000 Stellen abgebaut werden sollen. Um auf dem globalen Markt zu bestehen, müssen Schweizer Unternehmen sich spezialisieren und Nischen besetzen.
Absolut. Volumen können wir hier nicht produzieren. Es geht um Flexibilität, Schnelligkeit und Innovationsfähigkeit. Schweizer Unternehmen sind sehr stark in Nischen, häufig sind es Perlen, die nicht bekannt sind, aber in ihren Bereichen Weltmarktführer. 80 Prozent der Schweizer Firmen sind Familienunternehmen und denken langfristig und generationenübergreifend. Sie sind dem Standort Schweiz verbunden.

Die Exportindustrie ist essenziell für die Schweiz. Welche Rolle soll und kann der Bund für sie spielen?
Wichtig sind die Verhandlungen der Freihandelsverträge. Diese sind entscheidend für die Schweizer Exportwirtschaft. Hilfreich wäre auch, wenn der Bund rechtliche und bürokratische Hürden abbauen würde.

Was wünschen Sie sich für die Exportnation Schweiz?
Mutige Unternehmerinnen und Unternehmer.