11. Sept. 2014

Reif für die (Fertigungs-) Insel

Für die in der Schweiz beheimatete Eichenberger Gewinde AG ist die enge Tuchfühlung und der lösungsorientierte Dialog mit dem Kunden nicht nur der Ansporn für Innovationen, sondern Teil der Unternehmenskultur. Die Kernkompetenz liegt beim Rollen von Gewinden und der Fertigung von Kugel- und Gleitgewindetrieben.

Die konsequente Kundenorien­tierung hat aber auch ihre Schattenseiten, wie Matthias Furrer, Leiter Managementsysteme der Eichenberger AG, beobachtet: «Wachsende Anforderungen an die Arbeitsabläufe der Montage und zusätzliche Erwartungen der Kunden hinsichtlich der Sauberkeit führten zu steigenden Durchlaufzeiten und Mehraufwendungen.»

Auch die hohen Bestände zwischen den einzelnen Arbeitsplätzen und die wenig ergonomische Bereitstellung des Materials liessen bei steigenden Stückzahlen die Lieferfähigkeit unter Druck geraten. Die Frage lautete schliesslich: Welche Massnahmen lassen sich im Unternehmen ergreifen, um unerschlossenes Potenzial auszuschöpfen? Eichenberger ergriff die Chance und wandte sich an die Wertfabrik AG. Ziel war, die Arbeitsabläufe in den Montage- und Lagerbereichen zu optimieren.

Es galt zuerst, die Knackpunkte zu definieren und Herausforderungen darzustellen. Dann ging es laut Projektleiter Furrer da­rum, die Zielsetzung des Projekts festzulegen: «Erfüllen höchster Qualitätsansprüche, massive Verkürzung der Durchlaufzeiten und eine sich daraus ergebende Effizienzsteigerung, Reduktion der operativen Kosten, geringe Fehlerquote sowie eine langfristige Entwicklung und Verankerung der Lean-Kultur, was eine hohe Montage- und Logistikflexibilität verspricht.»

Beim Lean-Management geht es um die Prinzipien eines überlegenen Entwicklungs- und Produktionssystems in Hinblick auf Effizienz und Qualität. Ein wichtiges Element der Umsetzung beruht auf dem Begriff «One-Piece-Flow». Damit gemeint ist eine Produktion oder Montage, bei der die Fertigung auf Basis einzelner Werkstücke erfolgt, die ohne Zwischenlagerung oder Puffer durch den gesamten Arbeitsprozess fliessen. Es wird also ein Werkstück so lange weiter getaktet, bis es fertig ist.

«Eine entsprechende Montagelinie lässt sich schnell umrüsten, sodass verschiedene Produkte in geringen oder auch grösseren Stückzahlen abwechselnd montiert werden können», erklärt Matthias Furrer den beabsichtigten Effekt. Eichenberger hat sich dabei für die U-förmige Montagezelle entschieden, bei der sich Zufuhr und Entnahme am selben Ende befinden können. Der Materialfluss findet aussen statt, während die Bediener im Innenraum ausreichend Platz zum Agieren haben. «Durch das One-Piece-Flow-Prinzip werden Arbeits- und Nebenzeiten reduziert, Bestände in der Produktion verringert und die Nachverfolgung des Materialflusses sichergestellt», fasst Furrer die Ergebnisse zusammen.

Ein sich selbst regulierendes Kanban-System unterstützt die Materialversorgung der Montage­inseln. Dieses rollierende Behältersystem ersetzt die traditionellen Belieferungsmethoden. Im Pull-Prinzip entnimmt der Mitarbeiter das für die Montage benötigte und zuvor festgelegte Material. Die Kanban-Menge wird durch eine einfache visuelle Bestandskontrolle reguliert.

Wird bei der Entnahme ein Behälter aktiviert, löst dies automatisch Fertigungs- und Transportaufträge in den vorgelagerten Prozessen aus. «So kann bei minimalem Steuerungsaufwand und mit standardisierten Beständen und neuen Lagerorten der Materialfluss sichergestellt und geregelt werden», sagt Matthias Furrer. «Kanban fördert somit die Beruhigung der Prozesse in der Produktion, Steuerung und Logistik.»

Zur Vorbereitung auf das Pilotprojekt mit zwei One-Piece-Flow-Fertigungsinseln diente dem Projektteam ein Best-Practice-Besuch bei einem Schweizer Lieferanten der Eichenberger Gewinde AG. Dieser hatte bereits früher mit der Wertfabrik AG seine Montage optimiert.

Anschliessend vertiefte das Team in Workshops das erarbeitete Wissen. Auch deshalb, um ein Lean-Verständnis zu entwickeln, wie Matthias Furrer betont: «Denn Wertschöpfung durch weniger Verschwendung heisst nicht schneller arbeiten bis zur Überlast und Erschöpfung. Vielmehr werden durch die Optimierung der Arbeitsabläufe die Produktionsprozesse gestrafft und der Zeit- und Produktionsverlust eliminiert.»

Arbeitsplatzabhängig wurden die betroffenen Mitarbeiter direkt in die entsprechende Umsetzung des Projekts einbezogen. Eine durchgeführte Ist-Analyse zeigte dann Optimierungsansätze auf. Sie dienten als Basis für den Soll-Prozess, der in einem nächsten Schritt entwickelt, festgelegt und umgesetzt wurde.

An einem provisorischen One-Piece-Flow-Montageplatz sammelten die Mitarbeiter nach und nach Erfahrungen, die in den Montageprozess zurückgespeist wurden. Aufgrund dieser Vorgehensweise nahm Eichenberger bereits wenige Wochen nach diesen Tests am provisorischen Modell die beiden neuen Montageinseln in Betrieb und montierte erste Kugelgewindetriebe.

Bereits nach kurzer Zeit stellte sich heraus, so Projektleiter Furrer, dass die gesteckten Ziele weit übertroffen wurden: «Die Kennzahlen der ersten beiden Fliessfertigungsinseln bestätigten Topresultate in Bezug auf Qualität, Durchlaufzeit und Effizienz. Die Logistikaufwendungen fielen geringer aus.» Rasch zeigte sich auch, dass mit Kanban eine enorm hohe Liefer- und Versorgungssicherheit bei reduzierten Lagerbeständen und geringstmöglicher Kapitalbindung realisiert werden kann.

Diese Ergebnisse führten dazu, das «Go» zur Lean-Umstellung des gesamten Montagebereichs und der dazugehörigen Logistik zu erteilen. Die Umsetzung erfolgte in vier Teilprojekten während des Jahres 2013.

Die umfangreiche Varianten- und Dimensionsvielfalt der Gewindetriebe bei Eichenberger stellte für diese Umstellung eine besondere Herausforderung dar. «Auch die Schwankungen der Losgrössen zwischen 1 und 80 000 Stück», bemerkt Matthias Furrer, «und steigende Anforderungen der Kunden in Bezug auf Sauberkeit und Präzision waren Punkte, deren Umsetzung zum Lean-Management einiges forderte.»

Und heute? Die verbesserte ergonomische Struktur am Arbeitsplatz sorgt laut Furrer für zufriedene Gesichter: «Das Einbeziehen und die intensive Sensibilisierung der Mitarbeiter und Führungskräfte ergänzt das Qualitätsbewusstsein des Teams spürbar und stärkt zusätzlich das Know-how der ganzen Unternehmung.» Aber nicht nur das: Die Prozesse präsentieren sich klar und anschaulich, dies führt zu einer Erleichterung bei den häufigen Kundenaudits.

Abschliessend fügt der Leiter Managementsysteme hinzu: «Der starke Franken ist herausfordernd für exportorientierte Schweizer Firmen. Die Umsetzung zum Lean-Management stellt Eichenbergers Antwort zur Währungsproblematik dar. So wirken wir dem massiven Kostendruck in der Branche entgegen».

Eichenberger Gewinde AG 5736 Burg, Tel. 062 765 10 10 info@gewinde.ch

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