«Next Generation ist Ansatz für innovative Ideen»
Herr Züllig, braucht es für das C-Teile-Management, speziell für Verschraubungen, wirklich eine eigene Beratungsdienstleistung, wie sie Bossard mit «Next Generation» anbietet?
Züllig: Diese Frage möchte ich mit einer Gegenfrage beantworten: Was denken Sie, Herr Pittrich, wie viele Teile in einem Produkt, beispielsweise in einem Pkw, enthalten Verbindungselemente? Wir sprechen hier immerhin von rund 50 Prozent aller Teile. Und die wichtigste Kernaussage dazu lautet: Nur 15 Prozent davon tauchen als sichtbare Kosten, nämlich als Produktpreis für das Verbindungselement auf. Die restlichen 85 Prozent entfallen auf Gemeinkosten wie Einkauf, Lager, Logistik, Konstruktion und Entwicklung oder Montagetätigkeiten; sind also verborgene Kosten. Und genau das ist unser Ansatz bei Bossard Consulting, diese 85 Prozent Gemeinkosten zu optimieren.
Rüedy: In Zusammenhang mit dieser Entwicklung sprechen wir von immer komplexeren Produktvariationen, aber auch Preisgabe der Standardisierung oder von allfällig nicht notwendiger Variantenvielfalt.
Das müssen Sie mir näher erklären.
Rüedy: Betrachten wir ein Smartphone. Auch hier gibt es diesen 50-Prozent-Anteil an Verbindungselementen, und sogar hier hat es Schrauben, die aufgrund der notwendigen Recyclierbarkeit vorgegeben sind. Wir haben es deshalb mit sehr komplexen Designanforderungen zu tun. Wobei diese Komplexität auch hausgemacht sein kann, einfach deshalb, weil man allfällig Plattformen nutzt, die im Sinne einer Durchgängigkeit und Standardisierung zu wenig hinterfragt werden. Es braucht allerdings Mut, diese Fragen zu diskutieren. Deshalb auch «Next Generation» als Ansatz für innovative Ideen. Also: Etwas anders machen und nicht auf Bewährtem ausruhen. Diese Thematik ist zwar nicht so grundlegend neu, aber in Hinblick auf die Diskussion um den schwachen Euro bekommt sie eine neue Dynamik.
Züllig: Während sich die meisten Lean-Management-Ansätze auf Produktions- und Montageabläufe konzentrieren, gehen wir als Verbindungsspezialisten ganz gezielt den Weg, den Bereich der C-Teile zu optimieren. Denn die meiste Zeit in der Montage entfällt darauf. Entsprechend gross ist das Einsparpotenzial. Unser Next-Generation-Ansatz sieht vor, bereits in der Entwicklungsphase an Bord zu kommen, wenn der Kunde ein neues Produkt plant. Wir können dann die bis dato wenig beachteten, grossen Kostentreiber in der Montage lokalisieren und deutlich reduzieren. Zudem – und das ist ganz wichtig – ist der Kunde mit seinem Produkt schneller am Markt, da wir auch seine Montagezeiten optimieren.
Wie ist man bei Bossard darauf gekommen, sich überhaupt dem Thema Beratung zu widmen?
Rüedy: Da muss ich ein wenig ausholen, denn dieser Prozess hat sich über Jahre angebahnt. Anstoss war sicherlich die Entwicklung im eigenen Haus, das C-Teile-Management verstärkt und erfolgreich auf wertintensivere B-Teile zu übertragen. Im Zuge dieser Entwicklung mussten wir andere Organisationsformen etablieren. Wir benötigten plötzlich nicht nur Kaufleute, sondern auch Ingenieure, die sich mit der Produktion oder dem Mess- und Prüfwesen auskannten. Wir mussten gezielt Prozessverständnis aufbauen. Denn wenn man die Verbindungstechnik innovieren will, muss man sich im ersten Schritt ein Stück weit von ihr trennen und fragen: Was gilt es denn eigentlich zu verbinden?
Züllig: Darum haben wir auch in einen 3D-Drucker investiert, um Kundenbauteile aus Sicht der Verbindungstechnik besser beurteilen zu können. Daraus abgeleitete Lösungen öffnen unseren Ingenieuren dann oft den Weg in die Leitungsspitze der Unternehmen, da man bisher abstrakte Probleme nun am konkreten Teil greifbar machen und diskutieren kann.
Akzeptieren die Kunden eigentlich ihr Beratungsangebot? Denn viele werden Bossard immer noch mit dem C-Teile-Spezialisten assoziieren.
Züllig: Der Kunde akzeptiert es dann, wenn wir ihm ganz klar kommunizieren, dass unser Fokus auf der Verbindungstechnik liegt. Natürlich geben wir den Unternehmen Hinweise, wenn wir im Rahmen der Wertstromanalyse feststellen, dass es Teilbereiche in der Montage oder Produktion gibt, die einer näheren Betrachtungsweise im Sinne von Lean Management bedürfen.
Wenn man Ihnen so zuhört, muss der Optimierungsbedarf im C-Teile-Bereich sehr gross sein. Schlägt sich das auch in den bisherigen Anfragen nieder?
Züllig: Wir befinden uns erst am Anfang unserer Beratungsdienstleistung. Ich selbst bin seit einem Jahr bei der Bossard AG dabei. Wir sind diesen Schritt auch konservativ angegangen, um auszutesten, was überhaupt machbar ist. Aber wir stehen bereits jetzt dem Phänomen so vieler Anfragen gegenüber, dass wir diese kaum mehr zeitnah beantworten können. Wir werden diesen Bereich deshalb ausbauen und auch internationalisieren. Das ist die klare Strategie bei Bossard.
Will man dieses Angebot dann breiter aufstellen, jenseits der Verbindungstechnik?
Züllig: Bossard ist bekannt als führender Anbieter für die industrielle Verbindungstechnik mit intelligenten Logistiklösungen im C-Teile-Management. Unser Ziel ist, dass wir als Solution Provider wahrgenommen werden, sozusagen als strategische Ressource für den CEO eines Unternehmens. Wir werden deshalb nicht nur alleine zu den Kunden gehen und unsere Dienstleistung erläutern, sondern wollen uns mit deren externen Beratern, aber auch internen Lean-Management-Profis verzahnen, um dort das Bewusstsein zu schärfen: Wenn es um C-Teile-Optimierung geht, dann holt die Experten von Bossard.
«Next Generation» wird also in Zukunft zu einem wichtigen Umsatzträger für Bossard?
Züllig: Unser Ziel ist ganz klar, dass meine Arbeit sich zum eigenständigen Profitcenter entwickelt.
Rüedy: Eigentlich wurde Ihre Frage bereits beantwortet, Herr Pittrich. Wir beobachten zunehmendes Wachstum nicht im reinen Schraubenbereich, sondern in der Konfektionierung für die Endmontage. Das wird auch unser zukünftiges Sortiment beeinflussen und die Produktlösungen, die wir an Kunden liefern, noch mehr von C- in Richtung B-Teile verschieben. Vielleicht sogar in Richtung Komponenten, die wir einbaufertig im Kundenauftrag anliefern.
Dann sprechen wir aber wirklich von einem Paradigmenwechsel.
Rüedy: Ich denke, das ist der Weg zum Ziel.
Züllig: Man muss sich in diese Richtung bewegen. Und den Weg dahin haben wir ja bereits eingeschlagen durch den Aufbau unserer Logistik- und Engineering-Dienstleistungen.
Nach so viel Theorie und Visionen würde mich doch interessieren, wie «Next Generation» in der Praxis aussieht.
Züllig: Sehr augenfällig wird das Potenzial von «Next Generation» am Beispiel der Zusammenarbeit mit Alstom. Wir hatten damals einen Kollegen monatelang bei Alstom in der F+E-Abteilung vor Ort. Dabei ging es einerseits um Wissenstransfer, da man für neue Werkstoffe prozesssichere Verbindungstechnologien suchte – auch das ist übrigens ein Weg, den wir anbieten. Andererseits konnten wir die C-Teile-Menge dort so optimieren, dass in Summe eine Einsparung von rund 500 000 Euro zu Buche schlug.
Rüedy: Ein anderes Beispiel ist der amerikanische Elektrofahrzeugehersteller Tesla.
Züllig: Dort konnten wir erfolgreich ein Vorzugssortiment definieren, also die Anzahl der C-Teile deutlich einschränken. Zudem gelang es uns, das Fahrzeuggewicht aufgrund der Auswahl der Verbindungskomponenten zu optimieren. Die Folge ist, dass wir nun ständig einen Bossard-Ingenieur vor Ort haben und die gesamte C-Teile-Logistik mit einem eigenen Lager organisieren.
Gibt es eine Faustformel, wie viel ein Unternehmen einsparen kann, wenn es Bossard frühzeitig an den Entwicklungstisch holt?
Rüedy: Wie wahrscheinlich jeder Zulieferer führen wir mit den Kunden permanent Gespräche über Kostensenkungen. Wenn wir jetzt nachweisen, dass das Einsparpotenzial, das jeder Fertigungs- oder Montageprozess mit sich bringt, in Höhe unseres Wareneinsatzes liegt, dann hat er doch wesentlich mehr gewonnen als die gewünschten 10 oder 15 Prozent Preisreduktion bei den Schrauben, die er jährlich von uns bezieht. Und diesen Beweis können wir antreten.
Züllig: In diesem Zusammenhang muss man auch realisieren, dass die reinen Teilepreise oftmals sogar nach oben gehen, wir unter dem Strich aber eine deutliche Kostenreduktion erzielen.
Wie das?
Züllig: Ich habe hier ein Beispiel, wo der reine Teilepreis von 1,36 Euro auf 4,50 Euro angestiegen ist, weil wir unsere gewindefurchende Multifunktions-Schraube zum Einsatz gebracht haben. Dadurch entfallen aber diverse Arbeitsschritte wie beispielsweise das Gewindeschneiden – und der Kunde bekommt erst noch eine sichere Lösung. In Summe haben sich die Gesamtkosten bezogen auf das Bauteil um 60 Prozent reduziert. Der Kunde spart rund 150 000 Euro ein.
Rüedy: Herr Pittrich, wenn Sie eine Prozentzahl hören möchten, dann sollten es als Herausforderung unsererseits schon 30 Prozent sein. Und zwar 30 Prozent aller Kosten, die der Kunde für das entsprechende Verbinden von Bauteilen aufwendet.
Das ist zumindest deutlich mehr als die Zahl, über die wir aktuell durch die Aufhebung des Mindestkurses diskutieren. Da kann die Empfehlung doch nur lauten: Hol dir einen Experten und lass deine C-Teile-Beschaffung optimieren.
Rüedy: Ja, das ist eine Herausforderung, die realistisch erscheint. Und der eine oder andere, der bereits bei der letzten Währungskursdebatte seine Hausaufgaben gemacht hat, dürfte weit mehr gewonnen als verloren haben.
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