Ohne Lean Management keine Smart Factory
(pi) Als westliche Unternehmen Anfang der 1990er-Jahre verstärkt begannen, sich für Lean Management zu interessieren, wollten sie die Prozesse in ihren Fabriken optimieren; Vorbild war dabei Toyota. Die Individualisierung unserer Gesellschaft hatte ihnen eine ähnliche Situation aufgezwungen, wie sie der japanische Automobilkonzern bereits in der Nachkriegszeit der 1950er-Jahren erlebt hatte. Damals hatte er einen sehr kleinen Markt bearbeitet ohne zu exportieren und musste flexibel viele unterschiedliche Fahrzeugtypen herstellen. So entstand Lean Management mit effizienten Prozessen in Produktion, Entwicklung und Administration.
Mit dem Übergang zu Industrie 4.0 wird sich der Trend zur Individualisierung und damit zur Losgrösse 1 noch einmal deutlich verstärken. Zudem werden störungsfreie, robuste und zugleich agile Prozesse Grundlage für jede Digitalisierung sein. Es gilt also zu erkennen, inwieweit Lean Management Grundlage für diese Entwicklung ist.
Das Ergebnis ist eindeutig: 79 Prozent der Befragten* sind der Meinung, Lean Management kann wesentliche Unterstützung leisten auf dem Weg zur Losgrösse 1. Dabei unterscheiden sich Unternehmen mit grosser und geringerer Lean-Erfahrung kaum voneinander, allerdings ist der Grad dieser Überzeugung bei den Erfahrenen noch etwas deutlicher ausgeprägt.
Der Weg in die neue, smarte Fabrikwelt mit digitalisierten und vernetzten Prozessen ist ein evolutionärer; er setzt auf bestehenden effizienten Produktionsstrukturen und Prozessen auf. Es geht bei Industrie 4.0 nicht darum, eine vollautomatisierte und IT-technisch überzüchtete Fabrik zu schaffen, sondern eine möglichst verschwendungsfreie, auf einem hohen Lean-Standard stehende Fabrik aufzubauen und anschliessend durch Industrie-4.0-Bausteine weiterzuentwickeln.
Die digitale Transformation vom Anfang bis zum Ende der Wertschöpfungskette kann dabei nur durch produktionsübergreifendes Denken gelingen. In der Studie* wurde daher abgefragt, für wie wichtig die Unternehmen die verschiedenen Lean-Management-Methoden beim Übergang zur Smart Factory erachten.
Das Ergebnis kann deutlicher kaum sein: Sämtliche Methoden werden von den Studienteilnehmern für wichtig oder sogar sehr wichtig erachtet. Selbst das Varianten- und Komplexitätsmanagement sowie die Verbrauchssteuerung kommen als Kategorien mit dem geringsten Zuspruch auf insgesamt je 87 Prozent.
Es wurde bereits beschrieben, wie die Unternehmen bei diesen Lean-Management-Methoden aufgestellt sind (Teil 2 in Ausgabe TR 9/16). Ein Vergleich der Ergebnisse mit den hier gezeigten gibt Aufschluss darüber, wo die Unternehmen besser werden müssen, um den Übergang zur Industrie 4.0 erfolgreich zu bewältigen.
Nachholbedarf gibt es bei fast allen Funktionen, insbesondere aber bei der wertstromorientierten Organisation und beim Varianten- und Komplexitätsmanagement.
Was motiviert die Unternehmen, Lean Management stärker einzusetzen beziehungsweise weiterzuentwickeln? Es zeigt sich: Hauptgründe sind Margendruck (72 Prozent) und der internationale Wettbewerb (71 Prozent). Etwas weniger dominieren die eigenen Wachstums- und Ertragsziele (68 Prozent). Eine deutlich geringere Rolle spielen der inländische Wettbewerb und die Kunden. Neue Technologien nehmen noch ein vergleichsweise geringes Gewicht ein. Unternehmen, die Lean Management bereits umfassend einsetzen, werten diesen Einfluss allerdings stärker.
Eine Detailauswertung nach Umsatzgrösse der befragten Unternehmen zeigt die unterschiedlichen Prioritäten grosser und kleiner Firmen. Für Betriebe mit Umsätzen über CHF 250 Mio. sind vor allem die eigenen Wachstums- und Ertragsziele ausschlaggebend, während der Margendruck und der Wettbewerb aus dem Ausland die Unternehmen mit geringerem Umsatz umtreibt.
Ziel ist die lernende Organisation
Lean Management ist längst weit mehr als ein Werkzeugkasten, aus dem sich Unternehmen bei Bedarf bedienen können. Es ist ein Managementsystem, bei dem es heute insbesondere darum geht, über alle Bereiche eine lernende Organisation aufzubauen, um permanente Verbesserungen zu erzielen. So sehen es auch die meisten schweizerischen Industrieunternehmen. Sie haben realisiert, dass ein guter Teil ihrer Erfolge auf dem Weltmarkt unter anderem darauf zurückzuführen ist, in allen Bereichen effizient und effektiv zu arbeiten. Und dass sie diesen Weg beim Übergang zu Industrie 4.0 und Digitalisierung konsequent weiterverfolgen müssen.
Schritt von Lean Management zu Lean Enterprise
88 Prozent der Manager sind davon überzeugt, dass Lean Management per Definition eine kontinuierliche Aufgabe ist; sein Potenzial zur Steigerung von Effizienz und Effektivität also nicht irgendwann an eine Grenze stösst.
Lean Management ist in vielen Unternehmen – zumindest im Produktionsbereich – längst vom Projekt zur Kultur geworden. Im nächsten Schritt geht es nun darum, ganzheitlich im Sinne eines Lean Enterprise zu arbeiten – auch, um die im Zuge von Industrie 4.0 anstehende digitale Transformation vom Anfang bis zum Ende der Wertschöpfungskette erfolgreich zu bewältigen.
*) Für die Studie «25 Jahre Lean Management» hat die Unternehmensberatung Staufen im Februar 2016 Industrieunternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz befragt. Teilgenommen haben insgesamt 1526 Personen, 133 Führungskräfte kamen dabei aus Schweizer Firmen. Die meisten sind im Maschinen- und Anlagenbau, der Elektro- sowie der Automobilindustrie tätig.
Staufen AG
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