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Schönheit und Nachhaltigkeit sind eins

Changemaker realisiert ein ambitioniertes Shop-Konzept im deutschsprachigen Raum. Der gemeinsame Nenner der Läden an das Angebot ist der Anspruch auf Zeitgeist, Qualität und einen bewussten Umgang mit Umwelt, Ressourcen und Menschen.

Changemaker ist vor zehn Jahren gestartet. Und – nomen est omen – hat bis heute zehn Shops eröffnet. Neun offline Shops in grösseren Schweizer Städten sowie einen online Webshop. Das Unternehmen sorgt somit nicht nur für Change, sondern auch für Ladeneröffnungen, wo die Kundinnen und Kunden die Produkte optisch und haptisch erfahren können.

Die Shops wollen Angebote schaffen, welche dem veränderten, neuen Konsumentenbewusstsein nach mehr Sinn und Nachhaltigkeit entsprechen. Das bedeutet einerseits Öko und Fairtrade. Und andererseits wertige Produkte, die das Leben schöner machen und bereichern.

Dabei geht es nicht um Massenware, sondern um die Produkte, die aus überschaubaren Manufakturen stammen. Qualität, Handwerk und die Menschen, die dahinterstecken, stehen im Vordergrund. Die UnternehmerZeitung hat sich mit Erich Geisser, ehemaliger Geschäftsführer von Dyson Europa, jetzt CEO von Changemaker, unterhalten.

Herr Geisser, wieso der Wandel von Staubsaugern zu nachhaltigen Produkten?
Es war ein bewusster, geplanter Wechsel, der einher ging mit einer Verschiebung von persönlichen Werten und Prioritäten. Mit 35, gefangen in gewissen Strukturen, habe ich mit mir einen Vertrag gemacht, dass ich mit 50 eine sinnhaftere Tätigkeit haben möchte. Mit 50 habe ich gekündigt und nach meiner Pilgerreise fand ich die neue Aufgabe bei Changemaker.

Und was konkret macht die Aufgabe bei Changemaker im Vergleich zum Dyson sinnhafter?
Die 15 Jahre vom Nobody in der Schweiz bis zum Marktführer und Best in Class-Anbieter in Europa waren enorm spannend und lehrreich. Und ich verdanke Dyson extrem viel. Aber konnte dies alles sein? Ist es das, was ein erfolgreiches Leben ausmacht, wenn man darauf zurückschaut? Jede(r) muss sich diese Frage selber stellen. Für mich war die Antwort klar, dass es für mich noch was anderes braucht für ein erfülltes Leben.
Echt, weg vom grossen Einkommen und renommierten Jobtitel hin zu Changemaker, das geht mit 50 Jahren einfach so?
Ich installierte einen Timer auf meinem Telefon. Der startete bei ca. 720 Tagen und zählte jeden Tag zurück. Tag Null war mein 50ster Geburtstag. Je näher dieser Tag Null rückte, desto mehr erzählte ich von meinem Plan in meinem Umfeld. Und so habe ich mir selber Druck aufgesetzt. Mit 30 hätte ich den Mut und die Möglichkeit sicher nicht gehabt. Mit 50 aber war es der richtige Moment für den Wertewechsel.
Welche Erfahrungen/Werte als CEO von Dyson gelten auch bei Changemaker?
In gewisser Hinsicht sind beide Konzepte auf Konsum, Professionalität und Business-Know-how ausgerichtet. Dennoch sind die zwei Firmen inhaltlich in keinster Form vergleichbar. Aber ich hoffe, dass ich die gleichen Werte hatte in Bezug auf Mensch und Umwelt wie heute, obschon ich natürlich die letzten Jahre bei Changemaker in dieser Richtung enorm viel dazu gelernt habe.
Und welche Prinzipien haben Sie über Bord geworfen?
Ich bin kein Mensch von Prinzipien. Obwohl Wachstum heute immer noch als die Maxime fürs Business schlechthin gilt, stelle ich heute nicht Wachstum in den Vordergrund, sondern schöne Geschichten, Gedanken, Werte und Liebe zum Produkt und deren Hintergrund. Changemaker-Produkte zu finden und zu entwickeln mit visionären Persönlichkeiten aus der ganzen Welt, die die Welt zu einem besseren Ort machen möchten, ist enorm bereichernd.  
Kein Widerspruch: vom Aufräumen zum Besitz von vielen schönen, oft aber unnötigen Dingen?
Doch, zu einem gewissen Punkt bestimmt ein Widerspruch. Wir leben vom Konsum. Wenn es uns als Gesellschaft jedoch gelingt, den Konsum in nachhaltige Bereiche zu steuern, wird es dennoch einen positiven Impact erzielen.
Und woher kommt Ihre Motivation fürs Schöne und Nachhaltige?
Wir treffen täglich mit dem Kauf von Produkten Entscheidungen. Und es ist mittlerweile allen klar geworden, dass jemand den Preis bezahlt, wenn die Wahl auf billige Produkte fällt. Bereits Aristoteles erwähnte, dass Design innere und äussere Schönheit beinhalten muss. Es ist somit nichts weiter als konsequent, Schönheit und Nachhaltigkeit als eins zu betrachten.
Sie bieten über 3000 Produkte an. Alle sind garantiert nachhaltig produziert?
Die absolute Garantie haben wir nicht. Und wir lernen auch täglich dazu. Der «Change» (bei Changemaker-Produkten) kann überprüft werden mittels Zertifikaten. Schwieriger ist es beim «Maker». Hier ist Bauchgefühl gefragt. Was ist die Motivation eines Anbieters von nachhaltigen Produkten? Ist es reines Marketing und somit Green Washing? Oder hat er oder sie wirklich die Vision einer besseren Welt, die ihn oder sie antreibt? Hier liegt der Unterschied. Im Gespräch mit dem «Maker» brauchen wir dieses Fingerspitzengefühl, um den feinen, aber so wesentlichen Unterschied herauszuspüren.
Changemaker – ein Beispiel für den Verkauf eines Produktes das einen Wandel herbeiführte?
Ganz generell verändern wir nicht die Welt mit unserem Konzept. Aber bestimmt verändern wir die Welt unserer Produzenten. Ein Beispiel wäre unser Schalproduzent aus Kathmandu. Mit der Produktion unserer Schals finanziert Womenepal in Nepal Shelterhomes für Kinder und bietet sichere Arbeitsplätze für Frauen in Not.
Wo verkaufen Sie mehr – online oder in den neun offline-Shops?
Unsere Kundinnen und Kunden lieben das Haptische. Natürlich lassen sich gewisse Sachen auch online transportieren. Aber die Weichheit eines Tuches aus Peru oder der Duft einer handgemachten Kerze aus Bali ist im Shop immer noch eine direktere und grössere Hilfe beim Einkaufsentscheid als online. Dennoch ist unser Webshop der umsatzstärkste Shop.
Und wohin geht der Trend?
Natürlich steuert der Trend klar auf eine Digitalisierung und Personalisierung des Angebotes hin. Dennoch glauben wir an die Renaissance schöner Shops, sofern sie das Spezielle bieten und Persönlichkeit ausstrahlen. Im Bereich der Nachhaltigkeit wird Transparenz, Rückverfolgbarkeit sowie die Kreislaufwirtschaft immer wichtiger werden.
Hinter welchem Produkt steckte die schönste Geschichte? Erzählen Sie!
Schwierig. Wir arbeiten mit so vielen verschiedenen Menschen aus der ganzen Welt zusammen. Jeder Anbieter setzt seinen Fokus dort, wo er ihn für wichtig erachtet. In Ländern des globalen Südens wären dies vor allem existenzsichernde Löhne. Andere setzen ihren Fokus auf naturschonende Produktionsprozesse oder recyclierbare, erneuerbare Stoffe. In der Schweiz liegt der Fokus bei sozialen Werkstätten. Ich glaube, es wäre falsch, hier eine Hierarchie zu nennen.  
Und welches ist Ihr Lieblingsstück im Sortiment? Wieso?
Auch diese Entscheidung fällt mir nicht leicht. Die letzten 20 Jahre lebte ich in nichtssagenden, schwarzen Socken, produziert irgendwo auf der Welt, ohne mir Gedanken zu machen, was dabei alles leidet. Nun freue ich mich über meine farbigen Socken von DillySocks. Bio-Baumwolle, in Portugal fair und GOTS-zertifiziert produziert, in der Schweiz designt. Da läuft es sich doppelt so gut.
Es gibt wahrscheinlich Millionen von möglichen Produkten – wie wählen Sie aus?
Ich bin froh, dass ich dies nicht machen muss. Im Team haben wir vier Frauen, die es lieben, die richten Produkte zu finden. Wie bei allen Entscheidungen ist auch hier Fingerspitzen- und Bauchgefühl nötig und da ist meine Sicht weniger verlangt.  
Kann man Ihre Produkte auch personalisieren, z.B. als Firmengeschenk?
Heutzutage lassen sich so ziemlich alle Produkte personalisieren oder zumindest mit einem Logo bedrucken. Immer mehr verantwortungsvolle Unternehmer*Innen entscheiden sich, nur noch sinnvolle und nachhaltige Produkte zu verschenken. Ein wichtiger und richtiger Schritt. Und ja, wir haben über 3000 wundervolle Geschenksideen mit Geschichten dazu.
Das schönste und nachhaltigste Produkt, das man NICHT bei Changemaker kaufen kann?
Eigentlich wollte ich «Liebe» sagen. Aber ich habe dann gemerkt, dass man sich sehr wohl in unsere Produkte verlieben kann. Somit muss ich hier passen.