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Unternehmen

«Immobilienblasen gibt es nicht»

CROWDINVESTING – Der Schwarm erobert den Immobilienmarkt. Einige Crowdinvesting-Plattformen bieten aber mit ihren Objekten zu wenig Substanz, sagt Bettina Stach von ImmoYou. Aufgrund ihrer Erfahrung weiss sie: Es kommt aufs Mietzinspotenzial an. Hat dieses Luft nach oben, stimmt auch die langfristige Rendite. Blase hin oder her.

 

Frau Stach, seit bald 40 Jahren arbeiten Sie mit Immobilien. Was gefällt Ihnen an der Branche?
Zähle ich die Lehre als Hochbauzeichnerin dazu, sind es bald 40 (lacht). Immobilien kann man anfassen, jede Phase hat andere Baustile, jedes Gebäude sieht anders aus, hat andere Mieter, es ist Leben in den Gebäuden. Wir brauchen alle eine Wohnung, ein Rückzugsort, und die Menschen wollen sich in den eigenen vier Wänden wohlfühlen. Dann gibt es noch die Werterhaltung und -steigerung, die für mich ebenfalls einen wichtigen Teil einnimmt. Darum sind Immobilien so spannend.

Was stört Sie an der Branche?
Die Immobilienbranche hat sich in den letzten Jahren spürbar professionalisiert und an Dynamik gewonnen, was mich freut. Andererseits sind in den letzten Jahren aber auch viele Leute in die Branche eingestiegen, deren Profession nicht Immobilien sind und auch nie sein werden. Und so verliert die Qualitätsverbesserung – leider – wieder an Boden. Manch einer ist mit grossen Erwartungen und verheissungsvollen Versprechen eingestiegen, aber so einfach ist es nicht und wird es auch nie sein.

Was genau ist das Problem, wenn Krethi und Plethi mit Immobilien wirtschaften?
Sie haben schlichtweg zu wenig Ahnung über Zustand, Markt, Verträge etc. und oftmals bieten sie Objekte zu irgendwelchen phantasievollen Preisen an. Der Anleger vertraut ihnen initial, merkt aber erst spät, dass vieles nicht in Ordnung ist: Die Einnahmen stimmen nicht oder es gibt Probleme mit den Mietverträgen, die nicht sinnvoll aufgesetzt wurden. Oder der Unterhalt wurde vernachlässigt. Ein Laie kann eine Immobilie nur sehr schwer in Bezug auf Qualität und deren langfristige Substanz beurteilen. Das würde bedeuten, dass er erst gar nicht in Immobilien investieren dürfte. Das wirft natürlich ein schlechtes Licht auf die Branche.

Sie haben sich bereits 1992 selbstständig gemacht, weitere Gründungen kamen dazu und jetzt ImmoYou. Woher kommt der Drive fürs Unternehmertum?
Es braucht vor allem Mut, in meinem Alter nochmals neu anzufangen (lacht). Ich konnte seit 1992 einiges erreichen und wollte mich langsam zurückziehen. Doch eine Unternehmerin bleibt eine Unternehmerin, ich konnte mich einfach nicht zur Ruhe setzen. Ein Unternehmer braucht die Challenge, den Kontakt zu den Leuten. Er will verhandeln und etwas bewegen.

Sie waren mit Ihren Firmen erfolgreich. Warum gründeten Sie ImmYou?
Ein halbes Jahr vor der Gründung begann ich in der Erwachsenenbildung zu unterrichten: Baumanagement, Baumaterialien, Mängel und Schäden, Verträge, Renovationen etc. Ich stellte fest, dass ich genügend Wissen in all den verschiedenen Themen habe. Ich fühle mich irgendwie verpflichtet, dieses Wissen weiterzugeben. Ich bin die einzige Frau in der Crowdinvesting-Branche, die über dieses umfassende Wissen verfügt. Das ist mein USP, ich kenne alle Facetten einer Immobilie.

Worauf achten Sie bei der Beurteilung eines Objekts?
Die entscheidende Frage ist: Wie erreiche ich es, dass die Immobilie über die Jahre Mehrwert generiert? Das ist gar nicht so einfach. Beim Kauf muss ich wissen, welchen Mietzins ich in zehn Jahren erzielen kann. Dieser wird beispielsweise von der Lage beeinflusst und der Umgebung, die sich innerhalb von zehn Jahren verändern kann. Wie müssen die Grundrisse verändert werden, wenn man sanieren muss? Ein entscheidender Punkt ist auch ein kostengünstiger Unterhalt. Die Kosten muss man im Griff haben, das haben die wenigsten, auch die meisten Pensionskassen und Versicherungen nicht. Dazu ist der Lebenszyklus der Immobilie wesentlich: Wie lange hält die Bausubstanz? Wie lange kann man mit einer Sanierung zuwarten? Heute wird anders gebaut als vor 20 Jahren. Anfang 80er-Jahre baute man dunkle Küchen und Badzimmer. Solche Wohnungen können Sie heute kaum mehr vermieten.

Crowdhouse und Crowdli sind die anderen beiden Crowdinvesting-Plattformen für Immobilen. Die Unternehmen sind ebenfalls noch relativ jung und jetzt kommen Sie mit ImmoYou. Ein günstiger Zeitpunkt?
Viele aus der Branche fragen sich, warum man das erst jetzt macht. In Deutschland sind bereits über 1 Milliarde Euro über Crowd-Plattformen in Immobilien investiert, England und die USA kennen das Modell auch schon länger. Die Konjunktur der Crowdlending- und Investing-Plattformen hat ja damit zu tun, dass die Banken nicht mehr ideal und günstig finanzieren. Darum suchte man nach alternativen Anlagemöglichkeiten und Finanzierungsmodellen. Ich finde das eine tolle Sache – sowohl für Anleger, die nicht ausreichend Kapital für eine eigene Liegenschaft haben, als auch für jene, die den Aufwand scheuen, der mit der Verwaltung und dem gesamten Portfoliomanagement einer Immobilie verbunden ist.

Fondsanteile oder Aktien von Immobiliengesellschaften sind überbewertet, sagen Sie. Warum?
Wenn Sie einen Blick an die Börse werfen sehen Sie, dass der Marktpreis der gehandelten Anteile weit über dem inneren, dem tatsächlichen Wert der Anteile liegt – teilweise bis zu über 30 Prozent. Sobald Sie ein Gut einfach und schnell handelbar machen, sind Sie den Gesetzmässigkeiten von Angebot und Nachfrage ausgesetzt. Aktuell ist die Nachfrage nach Immobilienanteilen hoch. Das Angebot hält aber nicht im Gleichschritt mit. So steigt zwar der Preis, der Wert jedoch nicht gleichermassen. Bezogen auf die 30 Prozent Aufschlag, ist dies aus meiner Sicht ein teurer Preis für Hoffnung.

Gilt das auch für Pensionskassen oder Anlagestiftungen?
Die Vorsorgeeinrichtungen befinden sich in einer Zwickmühle, aus welcher nicht so einfach zu entkommen ist. Pensionskassen müssen die heutigen und zukünftigen Ansprüche der Pensionäre befriedigen. Die gesetzlichen Quoten-Regulatorien zwingen Vorsorgeeinrichtungen mehrere Millionen Schweizer Franken pro Jahr in Immobilien zu investieren. So konkurrieren viele Pensionskassen um die gleichen Objekte und steigen in Bieterverfahren ein, was die Preise in die Höhe und die Rendite in den Keller treibt. Aus meiner Sicht an breiter Front ein unfairer Mechanismus, handelt es sich doch beim investierten Kapital immer noch um unsere Vorsorgegelder. Viele Vorsorgeeinrichtungen haben schwächelnde Objekte an peripherer Lage in ihren Portfolios. Oftmals haben diese neuen Objekte einen hohen Leerstand. Die Verwaltung hat wenig Zeit, um unzählige Wohnungsbesichtigungen durchzuführen, wenn sich denn überhaupt noch ein Mietinteressent meldet. Vielmals stehen Wohnungen zwei, drei Monate oder länger leer. Das schlägt natürlich auf die Rendite durch. Langen Leerstand holt man von der Rendite her nicht mehr so einfach auf. Im Moment gibt es rund 65 00 leerstehende Wohnungen in der Schweiz, Tendenz steigend. Das gab es seit der Nachkriegszeit noch nie.

Ist das eine Blase?
Das hat nichts mit einer Blase zu tun, Immobilienblase würde ich es nicht nennen und wenn, dann sind das verschiedene Bläschen. Es geht mehr um einen unbekömmlichen Cocktail. Wenn steigende Zinsen auf leerstehende Wohnungen treffen und die Liegenschaften spürbar abgewertet werden, dann wird aus den Zutaten ein schwer verdaubarer Mix. Objekte, die dann auf den Markt müssen, werden Verluste schreiben. Bedauerlicherweise werden es am Ende der Pensionär oder Versicherte sein, der noch weniger Rendite auf seine Gelder erhält. Ich bin der Meinung, dass hier regulatorisch eingegriffen werden müsste, wenngleich ich eine Verfechterin für Deregulation bin.

Ist der Immobilienmarkt überhitzt?
Es gibt eine Tendenz zur Überhitzung. Der Anlagenotstand treibt alle Marktteilnehmer gleichermassen um. Viele Anleger wissen nicht, wohin mit dem Geld. Die tiefen Zinsen führen im Umkehrschluss zu höheren Immobilienpreisen. Doch die tiefen Zinsen und die damit einhergehenden tiefen Renditen sind nicht das eigentliche Problem. Momentan befindet sich der Immobilienmarkt in einer so noch nie da gewesenen Situation. In der Vergangenheit gab es folgende Paradigmen: hohe Mieten – hohe Zinsen, tiefe Mieten – tiefe Zinsen. Nun haben wir die Situation von hohen Mieten und tiefen Zinsen. Ich sehe Parallelen zum vorher angesprochenen unbekömmlichen Cocktail. Darum kaufen wir bei ImmoYou Häuser mit günstigen Mietzinsen. So können wir die Mietzinsen moderat anheben und verschaffen uns Spielraum. Wenn sie bei heute teuren Wohnungen den Mietzins noch weiter anheben wird der Leerstand steigen.

Der Anlagenotstand ist real. Was spricht für Immobilien?
Diversifizierung ist ohnehin gut und Immobilien sind attraktiv, denn sie haben Substanz. Langfristig betrachtet hat man auch eine ansehnliche Rendite, aber dafür braucht es Geduld. Wohnen muss man immer. Die aktuell eher stagnierende Zuwanderung war in der Vergangenheit eine verlässliche Konstante, die ihre Konstanz verloren hat. Durch die starke Konjunktur im angrenzenden EU-Raum ist unsere Zuwanderung tendenziell von wenig «guten» Steuerzahlern geprägt. Es ist wichtig, günstigen Wohnraum anzubieten. Auch aus einem anderen Grund: Die Leute leben heute anders als noch vor 20 Jahren. Sie wollen wieder kleinere Wohnungen mit tiefen Mietzinsen, sie geben ihr Geld lieber für Freizeit und Ausgang aus. Man geht öfters aus und ist seltener zu Hause.

Warum lohnt es sich, über ImmoYou zu investieren?
Wir sind vom Fach, wir betrachten eine Liegenschaft langfristig. Wenn jemand nach drei Jahren wieder aussteigen will, sollte er eher nicht investieren, weil er dann möglicherweise von der Steuerbehörde als Makler taxiert wird und zusätzlich Steuern bezahlen muss. Wir empfehlen Anlegern bei uns fünf Jahre oder mehr investiert zu bleiben. Bei uns werden alle Anleger im Grundbuch eingetragen. Wir sind zudem die einzige Crowd-investing-Plattform, die sich auch selbst an den Immobilien beteiligt. Wir sitzen also im selben Boot wie unsere Anleger. ImmoYou ist effizient aufgestellt und will dies auch bleiben, die Liegenschaft wird vor Ort von einer Verwaltung betreut. Das ist ein wesentlicher Punkt: Die Verwaltung muss schnell und lokal agieren können, die Wohnung zeigen und die Mieter betreuen. Inhouse haben wir einen Portfoliomanager, der die Verwaltungen steuert: Sind alle Wohnungen vermietet? Sind die Inserate richtig geschalten? Die Verwaltung hat keinerlei finanzielle Kompetenzen, wir treffen die Entscheidungen, und da wir vom Fach und mitbeteiligt sind, achten wir auf die Kosten: Muss man etwas ersetzen oder kann man es reparieren?

An wen richtet sich das Angebot?
Die meisten Investoren sind Private. Anleger, die diversifizieren und in Immobilien investieren wollen. Die einen hatten früher Immobilien, wollen aber mit dem Handling keinen Aufwand mehr. Wieder andere halten eigene Immobilien, kommen aber zu uns, um zu diversifizieren. Bei uns kann ab 100 00 Franken investiert werden. Es macht keinen Sinn, wenn jemand seine gesamten Ersparnisse in ein einzelnes Objekt investiert. Wenn ein Anleger nach zwei Jahren aussteigt, rechnet sich die Anlage nicht, da die Kosten wie Handänderung und Gebühren zu hoch sind. Wir wollen pro Objekt einen kleinen, ausgewählten Kreis an Investoren.

Wo steht ImmoYou in fünf Jahren?
Nächstes Jahr wollen wir 100 bis 120 Millionen Investitionen abwickeln. Dieses Jahr werden wir bei 60 Millionen liegen, in fünf Jahren sollte es eine halbe Milliarde sein. ImmoYou ist ein langfristiges Projekt. Ich stehe als Person hinter der Firma und stehe jederzeit für unsere Kunden und Anleger zur Verfügung. Bei mir weiss man, dass ich mich persönlich engagiere. Ich habe auch für meine Nachfolge gesorgt: Mein stellvertretender Geschäftsführer verfügt ebenfalls bereits über 15 Jahre Immobilienerfahrung, ist aber 20 Jahre jünger.

 

 

ZUR PERSON
Bettina Stach ist seit bald 40 Jahren im Immobilienbereich tätig. Ihre Laufbahn begann mit der Lehre als technische Hochbauzeichnerin. Bald folgte die Position als Bauleiterin, auf der sie für die Ausführung von Neu- und Umbauten verantwortlich zeichnete. Nach einer Zusatzausbildung im Management wagte sie als Maklerin 1992 mit der Stach Immobilien AG den Schritt in die Selbstständigkeit. 1997 folgte die Gründung der Stach Investment AG und 2006 der Stach Bau AG, wo sie teils als Generalunternehmerin oder Investorin eigene Immobilienprojekte und solche dritter realisierte. 2017 schliesslich gründete Bettina Stach ImmoYou.