Seit dem 21. Januar 2019 sind Sie neuer Direktor der Juventus Schulen. Warum sind gerade Sie zum neuen Direktor gewählt worden?
Sicher sind es mein berufliches Profil, meine Erfahrung und innovative Herangehensweise im privaten Bildungssektor, welche mich zu den Juventus Schulen geführt haben. Tatsache ist, dass die Stiftung Juventus Schulen eine traditionsreiche Marke ist, die über den Kanton Zürich hinaus gut verankert und bekannt ist. Seit 1918 sind wir als Pionier im privaten Bildungsbereich positioniert und haben immer wieder eine Vorreiterrolle in der Schweizer Bildungslandschaft eingenommen. Ich erinnere an das erste berufsbegleitende Abendgymnasium und an die Initiativen zum dualen Bildungssystem, das heute weltweit Schule macht. Dass ich die Chance erhalten habe, diese Schule seit Januar 2019 als Direktor führen zu dürfen, ist mir eine grosse Ehre.
Wie sehen Ihre Visionen, Perspektiven und Ziele für die Juventus Schulen aus?
Die verschiedenen Bereiche und Geschäftseinheiten der Juventus Schulen werden sich unterschiedlich rasch entwickeln. Ich denke, dass mit der Integration der «wittlin stauffer ag» die Weiterbildung im medizinischen Bereich eine starke und nachhaltige Steigerung erfahren wird. Wir bieten die Grundbildung bei den medizinischen Praxiskoordinatoren an. Gerade diesen Studierenden können wir mit der Angebotspalette der «wittlin stauffer ag» ein attraktives Weiterbildungsangebot liefern, das bis zum Masterabschluss führen kann.
Warum brauchen wir eigentlich Privatschulen?
Die öffentlichen Schulen machen eine hervorragende Arbeit! Wir verstehen uns als sinnvolle Ergänzung, weil es nicht möglich ist, alle schulischen Dienstleistungen im öffentlichen Bereich anzubieten, die eine Privatschule anbieten kann. Privatschulen können oft schneller und unkomplizierter auf eine Veränderung der Marktsituation eingehen und Antworten liefern. Selber verstehe ich die Privatschulen nicht als Konkurrenz zu den öffentlichen Schulen. Das ist gar nicht möglich, weil die öffentlichen Schulen durch den Steuerzahler finanziert sind und teilweise einen anderen Fokus bei den Leistungszielen haben. Zudem werden Privatschulen meistens nicht durch einen Leistungsauftrag des Kantons subventioniert.
Wie stehen Sie zur Chancengerechtigkeit?
Noch nie war das Bildungssystem so durchlässig wie heute, was die Juventus Schulen initiiert und immer gefördert haben. Der politische Wille, diese Durchlässigkeit zu schafften, ist für mich vorbildlich. Unsere heutigen und zukünftigen Schülerinnen und Schüler können von einem Bildungssystem profitieren, das noch nie so offen war und beinahe allen die Möglichkeiten bietet, diejenige Ausbildung zu beginnen, die sie wirklich wollen.
Sind die Juventus Schulen ein Plan B für Studierende?
Dieser Ausdruck ist sicher unpassend für die Angebote der Juventus Schulen. Junge Menschen kommen spätestens mit 14 Jahren in die Situation, wo sie sich für eine Berufslehre oder für eine weiterführende Schule entscheiden müssen. Wir wissen aus Studien, dass dies sehr früh ist und genau in die Pubertät fällt. Es ist völlig normal, dass im Laufe der Entwicklung eines jungen Menschen, Wünsche und Träume entstehen, die vor einiger Zeit kein Thema waren, weil man sich in diesem Alter schnell und radikal verändert. Auch deshalb sind die Durchlässigkeit unseres Bildungssystems und die Möglichkeiten zur Kurskorrektur bei einer Ausbildung vorbildliche Verbesserungen. Die Juventus Schulen bieten viele solche Alternativen an, wo man seine Fertigkeiten gezielt weiter ausbauen kann.
Welche Expansionsstrategie verfolgen Sie?
Die Juventus Schulen können aus einer Position der Stärke im privaten Bildungsmarkt auftreten. Seit Jahrzehnten haben wir eine sehr starke Verankerung im gesundheitlichen Bereich mit der Grundausbildung der medizinischen PraxisassistenInnen und PraxiskoordinatorInnen, aber auch in der Weiterbildung im Sek. II- und dem Tertiär-B-Bereich für Nicht-Mediziner. Die Juventus Schulen sind heute ein führendes Kompetenzzentrum in der gesundheitlichen Ausbildung in der Schweiz. Ein weiterer Pfeiler ist der Wirtschaftsbereich mit dem KV sowie den wirtschaftlichen Weiterbildungen. Unser drittes Standbein ist die Technikerschule mit dem Abschluss der Höheren Fachschule. Unsere Infrastruktur des neuen «JuveCampus» ist gerade für unsere technischen Ausbildungsgänge enorm attraktiv und effektiv.
Welches Menschenbild vertreten Sie in Bezug auf Bildung?
Junge Menschen brauchen einen Lehr- und Lernort, an dem sie sich wohlfühlen. Das ist das Geheimnis einer guten Lernatmosphäre. Unsere Schule funktioniert nach klaren Regeln und wird transparent geführt. Unsere Lehrpersonen sind fachlich bestens ausgebildet und unterrichten mit Erfahrung, Kompetenz und Freude. Wichtig ist mir, dass Lehrpersonen klar, methodisch vielfältig und engagiert unterrichten. Als Menschen müssen sie die Studierenden empathisch abholen können und trotzdem eine Autorität im Lernraum bleiben, damit Verbindlichkeiten und damit Lernerfolg stattfinden kann.
Welche betrieblichen Akzentuierungen setzen Sie?
Mit unserem Umzug in den neuen «JuveCampus» haben wir auch in Bezug auf die Infrastruktur einen enormen Innovationsschub erhalten. Die Lernräume sind heute technisch auf dem neuesten Stand. Den Lehrpersonen und Studierenden bieten wir eine Schulumgebung an, die ein aktives Lernen stimuliert. Wenn wir diesen Entwicklungsschub in den Unterricht mitnehmen, können wir den Studierenden ein sorgloses Studieren an unseren Schulen ermöglichen. Dies schaffen wir, indem wir unsere Lerninhalte selber weiterentwickeln und das Lehrmittelangebot laufend vergrössern, real und via Lernplattformen. Unsere aktuellen Lehrmittelangebote in Form von E-Books an der Juventus Schule für Medizin zeigt, dass die Akzeptanz für bisher unkonventionelle Lehrmittel bei den Studierenden enorm hoch ist.
Wie wird die gleichbleibende Qualität der Ausbildungswege gesichert?
Als Direktor ist es mir ein sehr grosses Anliegen, dass die Juventus Schulen qualitativ hochstehende Ausbildungen anbieten. Dies betrifft unter anderem unsere Höhere Fachschule für Technikberufe, unserer Wirtschaftsschule und auch unser jüngstes Kind, die «wittlin stauffer ag». Zu unserer kontinuierlichen Qualitätssicherung zählen regelmässige Befragungen bei unseren Studierenden. Mit den Er-gebnissen dieser Feedbacks befassen wir uns eingehend in unseren Fachdiskussionen innerhalb der Geschäftsleitungssitzungen. Weiter haben wir eine Funktion «Schulentwicklung», die mit den Lehrpersonen zusammen die pädagogisch-didaktischen Anliegen auf jährlicher Basis diskutiert. Erwähnenswert ist meiner Meinung nach auch unsere Beratungsstelle für Lernende. Wir beraten, unterstützen und begleiten unsere Studierenden in schwierigen Lebenssituationen individuell und nehmen uns Zeit. Dies hat an der Juventus Schule für Medizin die Folge, dass wir praktisch keine Lehrabbrüche kennen. Für mich ist das eine tolle Erfolgsgeschichte, die wir weiter ausbauen.
Was macht die Juventus Schulen einzigartig, wo liegen ihre Stärken nach 100 Jahren Erfahrung, Erfolg und Innovation?
Die Stiftung Juventus Schulen ist tatsächlich eine Privatschule, welche seit ihrer Gründung durch ihren Pioniercharakter auffällt. Dies hat sie in den letzten 100 Jahren mehrfach bewiesen. Ursprünglich gründeten engagierte Lehrpersonen 1918 unser Tagesgymnasium. «Wir sprachen und sprechen Schülerinnen und Schüler an, die nicht an die öffentlichen Schulen wollen oder sich erst nach Abschluss des schulischen Wegs für eine Ausbildung oder Weiterbildung entscheiden», so die Aussage der Gründer. Die Juventus Schulen tragen in ihrem Namen die Jugend. Und wenn wir an die Gründungszeit denken, so war dies Ausdruck eines Zeitgeistes der Hoffnung. Ziel war es immer, mit neuen Bildungsangeboten zur allgemeinen Verbesserung der schulischen Situation praktisch beizutragen. Diese grundlegenden Werte suchen und finden unsere Studierenden auch heute im JuveCampus.
Bleiben die Juventus Schulen weiter eine Zürcher Schule, gibt es Expansionspläne?
Mit der Integration der «wittlin stauffer ag» bieten wir jetzt auch Weiterbildungen auf dem Tertiär-B-Markt unter einem Dach an. Wir sprechen besonders Personen im Gesundheitswesen an, die eine Kaderposition anstreben oder schon ausfüllen. Mit der Hochschule für Wirtschaft Zürich (HWZ) und dem Schweizerischen Institut für Betriebsökonomie (SIB) haben wir zwei starke Partner, die unsere Ausbildungsangebote sinnvoll ergänzen und die Abschlüsse unserer Studierenden deutlich aufwerten. «wittlin stauffer ag» hat auch einen Sitz in Bern. Nach 100 Jahren in Zürich bieten wir einen Teil unserer betreffenden Ausbildung auch in Bern an.
Wo sehen Sie die aktuellen Herausforderungen im privaten Bildungsmarkt? Wie verändert sich die Bildungslandschaft durch die Digitalisierung?
Am Anfang des Lernens stehen noch immer die Motivation und das Handwerk. Der zu vermittelnde Schulstoff steht in realen und virtuellen Lehrbüchern. Er muss von dort in die Köpfe der Studierenden, was nur über tragende Lehr- und Lernbeziehungen möglich ist. Im Idealfall verstehen die Studierenden nicht nur den Lerninhalt. Sie können diesen auch in eigenen Worten erklären, hinterfragen und mit eigenen Argumenten erörtern. Es geht nicht nur um einen reinen Wissenserwerb, sondern um ein Verständnis, das die Handlungskompetenz über den Wissenserwerb erweitert. Die Digitalisierung kann auf diesem Weg sinnvolle Hilfestellungen bieten. Die eigentliche Denkarbeit muss aber weiter vom Studierenden geleistet werden. Das bleibt auch zukünftig so. Bei einer Weiterbildung geht es nie nur darum, Themeninhalte zu vermitteln und auswendig zu lernen. Ziel ist es, das Verständnis für neue Inhalte und Perspektiven aufzubauen, die beim Lernenden einen beruflichen Impuls auslösen sollen. Hier liegt der wahre Wert einer Ausbildung. Wenn wir Rückmeldungen von Studierenden anschauen und die Forschung beiziehen, stellen wir immer wieder fest, dass der entscheidende Faktor meist die Lehrperson ist.
Die Lehrpersonen sind immer die Träger des Lernklimas im Lernraum. Mit ihrem didaktischen Geschick sind sie die eigentlichen Motivatoren, die zu Höchstleistungen anregen oder aber einen Lernerfolg auch blockieren können. Der Mensch ist und bleibt ein soziales Wesen, das in Beziehungen funktioniert. Lernen im sozialen Kontext ist darum erfolgsrelevant. Gelebte und erfahrene Selbst- und Sozialkompetenzen sind hier massgeblich. Ich sehe keinen Bedarf für Roboter im Lernraum, weil sie unsere Lehrpersonen nie ersetzen können. Den Robotern fehlt es an menschlichen Qualitäten, die für den individuellen Lernerfolg relevant sind: Sie können nicht mit den Augen zwinkern, im richtigen Augenblick mit einem Lächeln Aufmunterung vermitteln oder mit einem Blick in die Klasse für Ruhe sorgen.
Bei welchen Bildungsangeboten bauen die Juventus Schulen heute aus?
Die Durchlässigkeit unseres Bildungswesens ist ein wichtiger Motor unserer Entwicklungen. Während früher nur das Gymnasium den Zugang zur Universität und der ETH ermöglichte, gibt es heute mit der Passerelle eine weitere Option. Praktisch zeigt sich, dass Menschen, die eine Weiterbildung in Angriff nehmen wollen, oft Schulen suchen, die eine berufsbegleitende Variante anbieten. Auch in diesem Feld sind die Juventus Schulen gut aufgestellt. Der bereits beschrittene Weg muss konsequent verfolgt werden.
Wie und warum werden sich die Juventus Schulen in Zukunft verändern?
Die technischen Entwicklungen sind faszinierend und machen auch vor der Schulzimmertüre nicht halt. Heute stellen wir uns die Frage nach den sinnvollen technischen Entwicklungen, die für die Optimierung des Lehr- und Lernklimas wichtig werden könnten. Nur elektronische Lehrmittel auf einem Tablet zu haben, reicht mir nicht, weil damit Wissen flüchtig wird. Für mich ist das keine Innovation. Innovation beginnt dann, wenn wir bei unseren Studierenden einen merklich höheren Prüfungserfolg erleben. Dies erzielen wir nur dann, wenn leichter, ortsunabhängig und vernetzter gelernt werden kann. Die Studierenden brauchen einen motivierten Bildungspartner, der transparent und kompetent den Wissensstand aufzeigt und Lösungsmöglichkeiten anbietet. Wir suchen konsequent innovative Lösungen, die genau in diese Richtung zielen und unsere Schule mit Erfolg ins zweite Jahrhundert ihrer Geschichte führen.