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Unternehmen

«Nicht jede Schule braucht einen eigenen Hauswart»

Dr. Giuseppe Santagada, seit Februar 2018 CEO der Vebego Schweiz Holding AG. Davor war er während sieben Jahren in der Geschäftsleitung der ISS Schweiz AG.
Foto: Vebego

Seit Februar 2018 ist Giuseppe Santagada CEO der Vebego Schweiz ­Holding AG. Sein Ziel ist es, das Unternehmen zu einem «integralen» Anbieter im Bereich Facility Management zu entwickeln. Wir haben nachgefragt, was dabei die Herausforderungen sind.

Herr Santagada, wie haben Sie die ersten Monate bei Vebego erlebt?
Wir sind ein Familienunternehmen und das durfte ich auch so erleben. Ich wurde sehr familiär aufgenommen, einerseits im Betrieb, andererseits auf Gruppen-Ebene. Ich hatte ein sehr gutes, strukturiertes und ausführliches Onboarding-Programm

Davor waren Sie bei ISS Schweiz in der Geschäftsleitung tätig. Was hat Sie zum Wechsel bewogen?
Einerseits der Aspekt eines Familienunternehmens. Bei Vebego ist nicht das gewinn-orientierte Streben die oberste Prämisse, wie bei vielen börsenkotierten Unternehmen. Wir haben mehr unternehmerische Freiheiten. Bei uns stehen vielfältigere Aspekte wie Nachhaltigkeit oder zirkuläre Wirtschaftssysteme im Vordergrund. Der Hauptgrund für meinen Wechsel war jedoch, dass ich wieder eine Gesamtverantwortung in der Schweiz übernehmen wollte. Bei Vebego Schweiz hat sich diese Opportunität ergeben.

Kann man bei 6000 Mitarbeitern noch von einem Familienunternehmen sprechen?
Die Frage ist, was man darunter versteht. Wenn man den Begriff im Sinne einer Wertvorstellung versteht – dass man sich gegenseitig unterstützt und dass man sich für den einzelnen einsetzt – und Aspekte wie Nachhaltigkeit im Vordergrund stehen, kann man durchaus von einem Familienunternehmen sprechen.

Wie macht sich diese Werthaltung bemerkbar?
Das merke ich vor allem im direkten Kontakt mit den Mitarbeitenden. Sie fühlen sich dem Unternehmen und den Kollegen gegenüber verpflichtet. Die Mitarbeiter orientieren sich am Kollektiv und weniger an sich selber.

Bei Vebego geht es nicht mehr nur um Unterhalts- und Reinigungsarbeiten, sondern um «integrales Facility Management». Was ist mit dem Begriff genau gemeint?
Ich kann erklären, was ich darunter verstehe (lacht). Im Grundsatz geht es um die Vernetzung aller relevanten Prozesse und Dienstleistungsangebote in der Liegenschaftsbewirtschaftung. Dabei bedeutet für uns die Akquisition der Swiss Servicepool AG im Jahr 2015 ein Meilenstein oder ein Wendepunkt in der Entwicklung von einem reinigungslastigen Unternehmen Richtung serviceorientiertem Dienstleister. Damit konnten wir in einem ersten Schritt unser Portfolio diversifizieren. In den nächsten drei Jahren wollen wir dieses weiter ausbauen.

Was heisst «integral»?
Das bedeutet, dass der Kunde eine Ansprechperson hat, welche die unterschiedlichen Disziplinen steuert. Als zentraler Anbieter erbringen wir die gesamten Dienstleistungen, die bei einem Objekt anfallen. Ungeachtet, ob es sich dabei um Projektmanagement, Empfangsdienstleistungen, Inspektionen, Reparaturen, Reinigungsarbeiten oder Winterdiensttätigkeiten handelt. Der Kunde erhält alles aus einer Hand. Denn dies wird von den Kunden je länger, je mehr verlangt. Sie wollen sich auf ihre eigenen Kernkompetenzen und Aufträge fokussieren und haben immer weniger Ressourcen, um mehrere Dienstleister zu betreuen. Hier bieten wir eine klare Entlastung.

Unternehmen lagern Dienstleistungen vermehrt aus. Was sind die Treiber dieser Entwicklung?
In Bezug auf das klassische Outsourcing, etwa in der IT, sind zwar bereits Gegentrends erkennbar, grundsätzlich ist diese Tendenz aber nach wie vor wirksam, weil die Unternehmen sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren müssen. Nicht zum Kerngeschäft gehörige Dienstleistungen werden auch künftig an externe, spezialisierte Partner wie uns ausgelagert. Die Vorteile liegen auf der Hand.

Worin liegen für Vebego dabei die Herausforderungen?
Herausfordernd sind insbesondere die hohen Andorderungen und die steigende Komplexität. Durch die zunehmende Auslagerung der Facility Services tragen wir vermehrt Verantwortung für das gesamte Objekt, wie auch in besonderem Mass für das Wohlbefinden der Mitarbeiter oder Mieter unserer Kunden. Die Ansprüche an den Facility Manager vor Ort sind hoch. Reinigung, Catering, Technik, Unterhalt, Empfang und Management erfordern sowohl fachliche als auch sozial-kommunikative Kompetenzen von unseren Mitarbeitern. Wie für viele grössere Unternehmen ist es darum für uns nicht immer einfach, qualifizierte Mitarbeiter zu finden, die diese Vielfalt an Kompetenzen mitbringen. Deshalb investieren wir intensiv in Aus- und Weiterbildung mit der Zielsetzung, auch interne Talente zu fördern und sie fit für neue Aufgaben zu machen.

Vebego will als strategischen Entscheid die Segmentspezialisierung fortsetzen, zum Beispiel mit speziellen Dienstleistungen für Gesundheitsinstitutionen wie Spitäler. Was sind die Ziele dieser Spezialisierung?
«Santé» ist eines der drei Segmente in unserer erfolgreichen Segmentstrategie. Dabei geht es darum, eine dedizierte Organisation mit speziellem Branchen-Know-how aufzubauen, um die Bedürfnisse, die spezifischen Problemstellungen und die Rahmenbedingungen der Spitallandschaft richtig einschätzen zu können. Nur so können wir Lösungsansätze etablieren, die zu einem Mehrwert führen. Die Mehrheit unserer Mitarbeiter im Bereich Santé haben einen Spital- oder Hotellerie-Background.

Ist die Spezialisierung darum erforderlich, weil die Kundenansprüche gestiegen sind?
Sie ist eine Konsequenz davon. Wir versuchen uns stets nach Markttrends und den veränderten Bedürfnissen auszurichten. Das Gesundheitswesen bewegt sich in einem engen politischen Rahmen, der rollend neu definiert wird. Von der Angebotsseite sind oftmals keine Lösungen vorhanden, die den neuen Anforderungen gerecht würden. Die Spitäler sind mit grossen Herausforderungen konfrontiert. Durch die Segmentierung und unsere spezifischen Angebote können wir hier einen wesentlichen Beitrag leisten. So wie im Segment «Santé» setzten wir bei unseren beiden weiteren strategischen Segmenten «Office & Realestate» sowie «Retail» auf Services, die Lösungen für die spezifischen Kundenbedürfnisse liefern.

Welche Probleme beschäftigen die Kunden im Gesundheitsbereich?
Durch die Einführung der Fallpauschale (SWISS DRG) sind die Spitäler gefordert, ihre internen Prozessen und Kostenentwicklung zu optimieren. Wir von der Providerseite her können einiges anbieten. Die Auslagerung von Dienstleistungen ist zwar immer auch ein politisches Thema, da Themen wie Löhne und Anstellungsverhältnisse von Drittanbietern gerne hochstilisiert werden. Doch die Spitallandschaft befindet sich in einem Umbruch und wir bieten eine breite Palette an Dienstleistungen, um die Effizienz zu steigern und die Spitäler zu entlasten, damit sich diese auf ihre Kernkompetenzen fokussieren können.

Was tun Sie konkret in einem Spital?
Wir analysieren die Prozesse, beispielsweise in der Pflege. Wir stellen uns Fragen, ob es zur Kernkompetenz des Pflegpersonals gehört, den Patienten ans Bett zu begleiten, die Bedienung des Telefons zu erklären oder das Mittagessen zu bringen. Vom Eintritt ins Spital bis zum Austritt analysieren wir die Prozesse, um dem Patienten ein möglichst optimales Gesamterlebnis zu ermöglichen.

Welche Innovation sind in den letzten Jahren bei Vebego entstanden?
Im technologischen Bereich konnten wir in Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern eigene Systemlösungen etablieren.

Um welche Technologie geht es dabei?
Zum Beispiel können wir durch den Einsatz von Sensortechnik das Verhalten der «Nutzer» in einem Gebäude analysieren: Wie häufig wird ein Sitzungszimmer oder eine Toilette genutzt? Wie stark werden Eingänge frequentiert? Aufgrund dieser Daten können wir unsere Mitarbeiter gezielter disponieren und unsere Leistungen dem tatsächlichen Bedarf anpassen. Die Systemlösung «IntelliClean» errechnet nicht nur täglich die erforderlichen Reinigungspläne, sondern bringt auch die relevanten Informationen zum jeweiligen Mitarbeiter.

Unlängst wurde Mateja Vuk von Vebego Schweizer Meisterin in Gebäudereinigung an den SwissSkills. Warum würden Sie einem jungen Menschen raten, diesen Beruf zu wählen?
Ich glaube, die Wahrnehmung des Berufs wird sich in Zukunft verändern. Im Wohlstandsland Schweiz sind Sauberkeit und Hygiene enorm wichtig – insbesondere im Gesundheitsbereich, in der Pharma- und Food-Industrie, die sich in der Schweiz je länger je mehr zu zentralen Industriezweigen entwickeln. Darum wird es in Zukunft immer mehr qualifizierte Mitarbeiter brauchen, die sich professionell mit Reinigung und Hygiene auseinandersetzen. Dadurch wird sich das Image der Reinigungsbranche positiv entwicklen.

Was unternehmen Sie für Ihre Mitarbeiter, damit sie den hohen Kundenansprüchen gerecht werden?
Die «Vebego Academy» ist unsere Ausbildungsstätte. Denn wichtiger noch, als neue Mitarbeiter zu rekrutieren, ist es, die bestehenden zu entwickeln. Wir bieten verschiedene Kurse an, wobei es nicht nur um fachliche, sondern auch um kommunikative und sprachliche Kompetenzen geht. Denn von einem Reinigungsmitarbeiter wird heute erwartet, dass er in einer unserer Landessprachen kommunizieren kann.

Neben ISS ist Vebego der grösste Anbieter im Bereich Facility Services in der Schweiz. Was wünschen Sie sich für Ihre Branche?
Für die Branche Facility Management wünschte ich mir, dass man offener mit dem Thema Partnerschaften umgeht. Ich wünschte mir mehr Zusammenarbeitssmodelle, denn es geht nicht um Kostenoptimierungen, sondern um einen Mehrwert für unsere Kunden und dessen Mitarbeitende.

Was müssen Sie dafür tun?
In der Kommunikation können wir sicher etwas verändern. Der Swiss-Skill-Wettbewerb ist ein Beispiel dafür, was die Reinigung angeht. Die damit vermittelte Botschaft kann zur Professionalisierung und zu einem positiven Berufsbild beitragen. Wir sind sehr glücklich, dass wir jemandem wie Mateja als Botschafterin in unserem Unternehmen haben. Schade ist, dass sich die Branche erst im 2018 erstmals zu einer Teilnahme an der Swiss-Skill entschliessen konnte. Jetzt liegt es an uns, etwas daraus zu machen. Denn es geht um viel mehr als nur den Beruf: Es geht auch darum, Leuten eine Chance auf dem Arbeitsmarkt zu geben.

Haben Sie eine Forderung an die Politik?
Unsere Bedürfnisse zielen auf unterschiedliche Ebenen: Ich wünsche mir mehr Offenheit in der Zusammenarbeit mit Dienstleistern. Privatfirmen können entscheidend zur Professionalisierung und Optimierung beitragen. So braucht zum Beispiel nicht jedes Schulhaus einen eigenen Hauswart. Optimierungen mit Personalübernahmen sind unser Kerngeschäft. Schliesslich muss sich auch die öffentliche Hand auf ihre Kernaufgaben konzentrieren: Was ist der Leistungsauftrag und was gehört nicht zum Kerngeschäft? Andererseits gilt es, die Rahmenbedingungen im Arbeitsrecht und den Wettbewerb verträglich auszugestalten.