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Unternehmen

Wenn alle alles wollen

Wenn alle alles wollen
Isabelle Sailer.
Bild: Katja Jost

Die Kommunikations-Expertin Isabelle Sailer macht sich in der Unternehmerzeitung Gedanken zu unterschiedlichen Aspekten rund um das Thema Kommunikation. In ihrer aktuellen Kolumne geht es um das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Erinnern Sie sich? Damals, als wir noch von «Work-Life-Balance» sprachen? Dem Wunsch, «Nicht nur arbeiten, sondern auch leben zu wollen»? Die Sensibilisierung hat funktioniert: Es ist längst en vogue, offen darüber zu reden, dass Arbeit allein nicht glücklich macht – zum Beispiel unter dem Hashtag #newwork. Vorbei die Zeiten, in denen Manager sich mit einem Minimum an Schlaf und Freizeit, aber mit einem Maximum an Präsenzzeit brüsten konnten.

Stattdessen tritt ein neues Thema mit viel Klärungsbedarf ins Rampenlicht: Vereinbarkeit von Beruf und Familie. (Noch) treiben mehrheitlich berufstätige gut qualifizierte Mütter das Thema voran. Frauen, die sich innerhalb traditioneller Rollenbilder nicht mehr ein- beziehungsweise unterordnen wollen.

Schade! Nicht dass die Debatte geführt wird, sondern, dass sie uns Frauen fast komplett überlassen wird. Betrifft sie uns doch alle, die wir daran interessiert sind, wirtschaftliche Stabilität zu erhalten und unsere Mitarbeitenden auch nach dem Eltern-Werden weiter zu beschäftigen. Kaum ein Thema lässt so viele unterschiedliche Lösungsansätze zu, ist gleichzeitig so wenig in richtig oder falsch zu unterteilen und kommt dabei einer emotionalen Wundertüte voller Erwartungen und Frustrationen gleich. Warum? Meine Hypothese: Wenn alle Beteiligten in einem System alles wollen – dann wird’s komplex.

Vereinbarkeit ist kein Einzelspiel. Hier geht es um Teamplay, Koordination, Kompromissfähigkeit und nicht selten auch um die Fähigkeit, auf etwas verzichten zu können.
Die Krux: Dieser Verzicht – zum Beispiel auf Karriere, auf Zeit mit dem Kind oder auf die langersehnte Weiterbildung – ist in modernen Zeiten weder automatisch einer Rolle, noch einem Geschlecht zugeordnet. Ein gemeinsames Rollenverständnis von Frau und Mann ist immer wieder von neuem zu diskutieren und auszuloten. Das ist harte Beziehungsarbeit und wird in keiner Hochschule gelehrt. Hier schult das Leben.

Dabei greift es viel zu kurz, Vereinbarkeit nur als problematischen Stresstest zu betrachten. Das Schlagwort steht doch auch für ein Privileg, beides zu dürfen: Freude an der Vielfalt zu haben, am Erziehen, an der Schulung von Eigenverantwortung und dem sich Üben in Gelassenheit. Alles Fähigkeiten, die von leistungsfähigen und modernen Mitarbeitenden gefordert werden! Arbeitgeber/-Innen können sich hier nicht aus der Diskussion stehlen. Dies sage ich als Unternehmerin, Mutter und Ehefrau mit bald zehn Jahren Vereinbarungs- und über 20 Jahren Berufserfahrung.

Wie toll, wenn ich als junge Mutter in spe von meinen Arbeitgebern in die Diskussionsmangel genommen worden wäre. Nicht mit pfannenfertigen Lösungen (wer hat die schon?), sondern mit Fragen und dem Interesse, einen Beitrag zum Gelingen leisten zu wollen: Wie planst Du das Thema Vereinbarkeit anzugehen? Sind Deine Vorstellungen realistisch? Bist Du darauf vorbereitet, dass alles anders kommen könnte? Wendest Du Dich an uns, wenn Du überfordert bist?

Drum, nur keine Hemmungen beim Ansprechen privater Themen von werdenden Müttern UND Vätern: Denn Arbeitgeber/-Innen, die als Dialogpartner mit Vorbildfunktion agieren, setzen auf ein authentisches Employer Branding und nutzen somit die wichtige Chance, Mitarbeitende langfristig zu unterstützen.
Vereinbarkeit geht uns alle etwas an.