Viele Unternehmen haben auf diese Ansprüche bereits reagiert. So auch die Sammelstiftung Vita, mit einer eigens dafür geschaffenen Stelle im Bereich ESG. ESG steht für «Environmental Social Governance», auf Deutsch: Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. Die Unternehmerzeitung hat sich mit Beatrice Stadler, ESG-Managerin bei der Sammelstiftung Vita unterhalten.
Frau Stadler, was genau tut eine ESG-Managerin bei der Arbeit?
Meine Aufgabe ist es, die vom Stiftungsrat festgelegte Nachhaltigkeitsphilosophie sowie Klimastrategie umzusetzen. Mit einer Bilanzsumme von insgesamt 1063 Milliarden Schweizer Franken per Ende 2020 verfügen die Schweizer Vorsorgeeinrichtungen beim grünen Anlegen über eine grosse Hebelwirkung. Vorsorgeeinrichtungen nehmen ihre ESG-Verantwortung zunehmend wahr und das ist gut so. Entsprechend ist mein Aufgabenfeld sehr breit und umfasst alle Anlagekategorien.
Woher Ihre Leidenschaft für das Thema ESG?
Als Immobilien-Expertin habe ich mich schon früh mit dem Thema auseinandergesetzt, denn Immobilien verursachen einen substanziellen Teil des CO2-Ausstosses. Auch als Bewohnerin einer Immobilie kann ich einen Beitrag zur Emissionsreduktion leisten, indem ich beispielsweise Strom spare. Und so versuche ich den Nachhaltigkeitsgedanken auch im Alltag zu integrieren, setzte mir Nachhaltigkeitsziele, verinnerliche neue Prozesse und Abläufe: Der Verzicht auf Plastiktüten ist nur ein Beispiel.
Wo ist das Thema Nachhaltigkeit im Unternehmen eingebettet?
Das Thema ist im gesamten Unternehmen eingebettet. Der Entscheid, wie Vorsorgegelder angelegt werden, fällt der Stiftungsrat. Als oberstes Organ der Vorsorgeeinrichtung nimmt er die Interessen der Versicherten wahr und legt die strategischen Ziele sowie Grundsätze fest. Die operative Umsetzung verantwortet das Anlageteam; wir setzen die Vorgaben in unseren Geschäftsaktivitäten und Prozessen um und überwachen diese – gemeinsam mit unseren Anlagepartnern.
Und welche Ziele verfolgt die Sammelstiftung Vita konkret?
Wir setzen uns klare Ziele und fokussieren auf drei Wirkungsfelder: aktive Aktionärin, nachhaltige Dekarbonisierung und wirkungsorientiertes Anlegen. Im Fokus steht die kontinuierliche und nachhaltige Reduktion der CO2-Emissionen. Für unser Aktienportfolio haben wir ein CO2-Reduktionsziel formuliert sowie die Anlagekategorien um Green Bonds erweitert und finanzieren so ökologische Projekte beispielsweise im Bereich erneuerbare Energien. Bis 2025 wollen wir die CO2-Emissionen der Aktienanlagen gegenüber 2019 um 20 Prozent reduzieren. Die Klimastrategie 2050 des Bundes ist unsere Richtschnur und wir sind uns sehr bewusst, dass der Finanzsektor beim Erreichen der Klimaziele eine bedeutende Rolle spielt.
Gibt es bereits Erfolge vorzuweisen?
Ja, die gibt es und die sind alle im Nachhaltigkeitsbericht festgehalten. Bei den Immobilien Schweiz konnten wir seit 2010 den CO2-Ausstoss bereits um mehr als 20 Prozent verringern – bis 2025 soll dieser um weitere 20 Prozent sinken. Da geht so einiges, eben haben wir entschieden Unternehmen auszuschliessen, die beispielsweise mehr als 30 Prozent ihrer Umsätze oder Stromerzeugung mit Kohle generieren. Zudem sind wir als erste Schweizer Vorsorgeeinrichtung der «Net Zero Asset owner Alliance» beigetreten und bekennen uns damit bewusst zu Netto-Null bis 2050. Durch den Beitritt zu ausgewählten Initiativen können wir mit den Nachhaltigkeitsentwicklungen Schritt halten.
Wie schwierig ist die Gratwanderung zwischen dem Streben nach einer möglichst guten Anlage für die Versicherten und der Nachhaltigkeit an sich?
Einer nachhaltigen Anlage muss es gelingen, Nachhaltigkeits- und Kapitalmarktziele gleichzeitig zu erreichen. Pensionskassen sind dabei gefordert, denn die Formulierung und konsistente Implementierung einer Nachhaltigkeitsstrategie wird anhand verschiedener Massnahmen immer wichtiger.
Was tun Sie oder was raten Sie, wenn die Rendite sehr vielversprechend aussieht, es aber auf Kosten von E und S in der Abkürzung ESG geht?
Im Vordergrund steht die treuhänderische Verantwortung für die Gelder der Destinatäre. Ein offensichtliches Missverhältnis zwischen Rendite und ESG-Kriterien entspricht nicht unseren Richtlinien und Zielsetzungen. Das Investieren in Firmen, die nachweislich gegen Schweizer Gesetze sowie von der Schweiz ratifizierte internationale Konventionen verstossen, ist aus ethischen und ökologischen Gründen nicht vertretbar. Viele Pensionskassen halten sich dabei an die Ausschlussliste des Schweizer Vereins für verantwortungsbewusste Kapitalanlagen (SVVK-ASIR).
Inwiefern können Sie über Immobilien – ein sehr CO₂- intensives Thema – den Klimaschutz stärken?
Die grossen Hebel sind nachhaltiges Bauen und Bewirtschaften sowie gezieltes Investieren in Immobilien mit hohen Nachhaltigkeitsstandards. Ein aktives Management des Energieverbrauchs und der Treibhausgasemissionen ist ein wesentlicher Bestandteil eines verantwortungsvollen Asset- und Gebäudemanagements. Durch energetische Sanierungen älterer Liegenschaften, Betriebsoptimierungen und einen strukturierten Heizungsersatz bei Bestandsliegenschaften wird ein wesentlicher Beitrag zur Reduktion des Energieverbrauchs geleistet.
Die Sammelstiftung Vita hat einen strategischen Fokus auf die Anlagegruppe «Wohnen im Alter» gesetzt. Warum dies?
Mit wirkungsorientierten Anlagen – dem sogenannten Impact Investing – können positive, messbare und nachhaltige Auswirkungen auf die Gesellschaft geschaffen und gleichzeitig eine attraktive Rendite erzielt werden. Dazu gehört auch unser Engagement «Wohnen im Alter». Dies ist ein strategisches Investment in zukunftsorientierten Wohn- und Lebensraum – wir versuchen über die Pensionierung hinaus zu denken. Soeben konnten wir die Türen eines unserer Projekte, der Residenza St. Joseph in Ilanz/Glion öffnen (siehe Box unten).
Sie vertreten 23'500 Unternehmen mit rund 142'000 Mitarbeitenden. Stehen diese immer alle hinter Ihren Ideen?
Das gestiegene Bewusstsein für den Klimawandel führt dazu, dass die Versicherten zunehmend Wert auf eine umsichtige und nachhaltige Anlage ihres Vorsorgevermögens legen. Als grosse Investorin können wir mit der Integration von ESG-Aspekten auch im Sinne unserer Versicherten einen Beitrag zur Reduktion der Treibhausgasemissionen leisten. Klar wäre es wünschenswert, die Meinung der Versicherten im Einzelnen abzuholen, gerade bei grösseren Sammelstiftungen ist dies jedoch kaum umsetzbar.
Ihre Prognose: Werden wir die Klimaneutralität bis 2050 erreichen? Welche drei Massnahmen wären dafür die wichtigsten?
Grundsätzlich bin ich ein positiv denkender Mensch: daher gebe ich die Hoffnung nicht auf, dass dieses herausfordernde Ziel erreichbar ist. Um die Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen, ist es essenziell, den Ausbau erneuerbarer Energien als Ersatz für fossile Brennstoffe zu beschleunigen. Es gilt auch Negativ-Emissionstechnologien sowie Technologien zur CO2-Abscheidung und Speicherung (CCS) stärker zu fördern. Des Weiteren erachte ich es als wichtig, dass wir als Individuen vor unserer eigenen Haustüre zu kehren beginnen und uns überlegen, wie wir unseren Beitrag zur Klimaneutralität bis 2050 leisten können.
Und nur für die LeserInnen der UnternehmerZeitung: In welche nachhaltigen Anlagen sollten wir – gewinnbringend – investieren?
Was heisst Gewinn: Ist es das gute Gewissen oder die Rendite, die im Vordergrund steht? Diese Frage muss jeder für sich selbst beantworten. Ich persönlich unterstütze die Weiterentwicklung der Wasserstoffspeicher-Technologie, welcher eine wichtige Rolle zur Energiespeicherung aus Windkraft- und Solaranlagen zukommen dürfte. Des Weiteren bin ich in digitale Technologien investiert, die nachhaltige Entwicklungen in vielen Bereichen voranbringen.