Seit 1981 ist die Gleichstellung von Mann und Frau in der Bundesverfassung verankert. Obwohl dies auch die Lohngleichheit betrifft, sind die Löhne der Frauen nach 37 Jahren durchschnittlich immer noch 7,4 Prozent tiefer.
Liegt es an den Frauen? Akzeptieren Frauen freiwillig zugunsten der (ihrer eigenen, fremder oder alimentenverweigernder) Männer einen tieferen Lohn für die gleiche Arbeit? Nein.
Liegt es an den Männern? Wären die Frauen in den Entscheidungsgremien in der gleichen Überzahl wie heute die Männer, würden wir Männer tiefere Löhne einfach so akzeptieren? Nein.
Ist es ein Naturgesetz? Seit der Mensch das Affentum verlassen und von einer höheren Macht das Denkvermögen eingehaucht erhalten hat, sollte diese Einstellung vorbei sein. Auch wenn dies in Machokulturen noch immer nicht ganz verstanden werden will. Heute im 21. Jahrhundert ist Westeuropa kulturell – wozu auch das Verhältnis der Geschlechter Mann/Frau/Neutrum zählt – weltweit führend. Die Schweiz nimmt dabei sicher eine Spitzenrolle in Sachen gelebter Demokratie ein. Auch hier: nein.
Liegt es am Business Case? Keine Hochschule weltweit würde es wagen, in der Kostenlehre zwischen männlichen und weiblichen Lohnkosten zu unterscheiden. Würde dies ein Unternehmen tun, würde dieses wohl unter einem Shitstorm begraben. Also nein.
Ist die Umsetzung zu kompliziert? Bei durchschnittlich 7,4 Prozent Lohndifferenz – bei gleicher Arbeit wohlverstanden – gibt es viele Unternehmen, welche die Lohngleichheit faktisch umgesetzt haben. Offenbar gibt es aber eine stattliche Gruppe von Firmen, welche eine wesentlich höhere Lohndifferenz ausweisen würden, würden sie dies analysieren. Reine Fleissarbeit. Müssen wir deswegen unsere Parlamentarier beschäftigen? Hier sicher auch: nein.
Die Situation der Lohnungleichheit positiv darzustellen, fällt schwer. Sie ist eigentlich nicht erklärbar.
Lösungsansätze
Welche Überlegungen könnten den fehlbaren Unternehmen bei der Umsetzung helfen?
Verwaltungsrat in der Pflicht? Ja. Wann stand Lohngleichheit auf der Agenda des Verwaltungsrats? In jeder AG gibt es einen formellen oder informellen Vergütungsausschuss (VA). Dieser befasst sich in erster Linie mit seinen eigenen Honoraren und der Vergütung der Geschäftsleitung. Wohl kaum ein VA würde es wagen, einer Frau wegen ihres Geschlechts ein tieferes VR-Honorar zuzustehen, dito in der GL. Gibt es einen Grund, dies auf Ebene Mitarbeitender anders zu handhaben?
Geschäftsleitung in der Pflicht? Ja. Auf GL-Ebene gibt es wohl zwei Argumente zum Thema Lohngleichheit: die Lohnsumme und ein fehlendes System, welches die Positionen nach strukturierten Kriterien in Rollen und Funktionen gruppiert. Eine möglicherweise steigende Lohnsumme würde sich über wenige Jahre ausgleichen und gilt daher nicht als Vorwand.
Human Resources in der Pflicht? Jein. Die Erstellung eines Funktionsgruppensystems ist Aufgabe des HR. Ein strategisch positioniertes HR wird dies als Selbstverständlichkeit betrachten, auch die Lohngleichheit. Ist HR eine Assistenzrolle, ist die GL dafür wieder in der Verantwortung, wo Interesse und Kompetenz dafür möglicherweise fehlen.
War for Talents
Kann eine deklarierte Lohngleichheit als Konkurrenzvorteil verwendet werden? Junge Talente, junge Fachkräfte – männlich oder weiblich –, welche der Wirtschaft zunehmend fehlen, werden darauf anspringen. Bei jungen Männern zeigt sich seit langem ein Umdenken, ob in der Elternrolle oder in der Rolle des Haupternährers.
Auch dem Potenzial der Wiedereinsteigerinnen kommt eine zunehmend wichtigere Bedeutung zu. Deklarierte Lohngleichheit wäre wohl ein gutes Argument im HR-Marketing.
Fazit
Das Gesetz verlangt nicht, den Frauen mehr Lohn zu zahlen, sondern lediglich den gleichen Lohn bei gleicher Arbeit in der gleichen Firma. Lohngleichheit ist betriebswirtschaftlich einfacher zu lösen als politisch, wo nichts anderes droht als komplizierte und teure Regulierungen. Bundesrätin Sommaruga brachte es im SR auf den Punkt: «Die Frist ist nach 37 Jahren Bundesverfassung abgelaufen.» Jeder VR hätte seinen CEO schon längst gefeuert, würde er sich mit der Umsetzung einer VR-Vorgabe 37 Jahre Zeit lassen. Will die Wirtschaft weniger Regulierung, dann sollte sie nicht selber immer wieder unnötige provozieren.